Herrin der Stürme
aufgenommen worden? Laßt mich Speisen oder Wein bringen, wenn Ihr es wünscht.«
»Damit bin ich bereits versorgt worden«, sagte der alte Mann mit einer Kopfbewegung zu dem Tablett und der Karaffe auf dem Tisch. »Ich brauche nichts als ein Gespräch mit dir, denn das war der Zweck der scheußlichen Reise, die ich unternommen habe.«
»Und ich wiederhole, ich bin hier und zu Euren Diensten, Sir. Hattet Ihr eine beschwerliche Reise? Was hat Euch veranlaßt, eine solche Reise im Winter zu machen, Sir?«
»Du!« knurrte der alte Mann. »Wann wirst du bereit sein, dorthin zurückzukommen, wo du hingehörst, um deine Pflicht gegenüber Clan und Familie zu erfüllen?«
Allart senkte den Blick. Er ballte die Fäuste, bis seine Fingernägel tief in die Handflächen schnitten und sie zum Bluten brachten. Was er, einige Minuten von hier entfernt, in diesem Zimmer sah, entsetzte ihn. In mindestens einer der Zukunftsentwicklungen, die sich von jedem seiner Worte ableiten ließ, lag Stephen Hastur, Lord Elhalyn, der jüngere Bruder des auf dem Thron von Thendara sitzenden Regis II., mit gebrochenem Genick auf dem steinernen Fußboden. Allart wußte, daß der ihn überflutende Zorn, die Wut, die er seinem Vater gegenüber empfunden hatte, solange er denken konnte, nur zu leicht in einer solch mörderischen Attacke enden konnte. Sein Vater hatte wieder zu sprechen begonnen, aber Allart hörte ihn in seinem Kampf, Geist und Körper zur Gelassenheit zu zwingen, nicht.
Ich will nicht über meinen Vater herfallen und ihn mit meinen Händen töten! Ich tue es nicht, Ich-tue-es-nicht! Und ich werde es nicht! Erst als er ruhig und ohne Ärger sprechen konnte, sagte er: »Es tut mir leid, Sir, Euch zu enttäuschen. Ich habe gedacht, Ihr wüßtet, daß ich mein Leben als Mönch und Heilkundiger in diesen Mauern verbringen will. In diesem Sommer erhielt ich die Erlaubnis, meine letzten Gelübde abzulegen, meinem Namen und meinem Erbe zu entsagen und den Rest meines Lebens hier zu wohnen.«
»Ich weiß, daß du dies einmal gesagt hast, in der Krankheit deiner Jugend«, erwiderte Dom Stephen Hastur, »aber ich habe gedacht, es würde vorübergehen, wenn deine Gesundheit an Geist und Körper wieder hergestellt ist. Wie steht es um dich, Allart? Du siehst gesund und kräftig aus. Es scheint, daß diese Cristofero-Irren dich nicht hungern lassen und mit Entsagungen zum Wahnsinn getrieben haben – noch nicht.«
Allart sagte liebenswürdig: »Das haben sie in der Tat nicht, Sir. Mein Körper ist, wie Ihr sehen könnt, stark und gesund, und mein Geist hat Frieden gefunden.«
»Stimmt das, Sohn? Dann werde ich die Jahre, die du hier verbracht hast, nicht bedauern. Und ganz gleich, mit welchen Methoden sie dieses Wunder vollbracht haben: Ich werde ihnen immer dankbar sein.« »Dann setzt Eurer Dankbarkeit die Krone auf, Vai Dom, indem Ihr mir die Erlaubnis gebt, hier, wo ich glücklich und in Frieden lebe, den Rest meines Lebens zu bleiben.«
»Unmöglich! Wahnsinn!«
»Darf ich fragen warum, Sir?«
»Ich hatte vergessen, daß du es nicht wußtest«, gab Lord Elhalyn zurück. »Dein Bruder Lauren ist vor drei Jahren gestorben. Er hatte dein Laran, nur in noch schlimmerer Form, denn er schaffte es nicht, zwischen Vergangenheit und Zukunft zu unterscheiden. Als es in voller Stärke über ihn kam, zog er sich in sich selbst zurück und hat nie mehr ein Wort gesprochen oder auf irgend etwas von außen reagiert. Und so ist er gestorben.«
Allart fühlte sich bekümmert. Lauren war für ihn das reinste Kind und beinahe ein Fremder gewesen, als er sein Zuhause verlassen hatte. Der Gedanke an die Leiden des Jungen betrübte ihn. Wie knapp er doch selbst diesem Los entronnen war! »Vater, es tut mir leid. Wie schade, daß Ihr ihn nicht hierher schicken konntet. Man wäre vielleicht in der Lage gewesen, auch zu ihm vorzudringen.«
»Einer war genug«, sagte Dom Stephen. »Wir brauchen keine Schwächlinge als Söhne. Lieber jung sterben, als eine solche Schwäche in unser Blut gelangen zu lassen. Seine Hoheit, mein Bruder Regis, hat nur einen einzigen Erben; sein ältester Sohn starb in der Schlacht gegen die Eindringlinge bei Serrais, und sein einzig verbliebener Sohn, Felix, der seinen Thron erben wird, ist von schwächlicher Gesundheit. Ich bin an nächster Stelle und dann folgt dein Bruder Damon-Rafael. Du bist vier Plätze vom Thron entfernt, und der König ist im achtzigsten Lebensjahr. Du hast keinen Sohn, Allart.«
Mit plötzlich aufwallender
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