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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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abgesehen, dass ihr Stolz ein so schwaches Flehen um Nachsicht und Verständnis auch nicht zugelassen hätte.
    Sie war bereit gewesen, auch das Letzte und Schlimmste zu erdulden, um sich und ihr Kind zu schützen. Sie hatte sich darauf vorbereitet, den Schotten als Gatten zu empfangen. Dass es dazu nicht mehr gekommen war, konnte man nicht als Charakterstärke, sondern nur als Zufall bezeichnen. Allein, sie war nicht bereit, sich deswegen schuldig zu fühlen.
    Wenn die Gefühle, die sie in jener Nacht bei ihm erspürt hatte, so jämmerlich schwach und wetterwendisch waren, dass sie nicht einmal eine Spur von Vertrauen nährten, was blieb ihr dann anderes als Verzweiflung?
    Unwillkürlich schlang sie die Arme um ihren Oberkörper und suchte die Berührung mit sich selbst und der leiblichen Hülle, die das kostbare Geheimnis trug.
    >Dein Vater<, sagte ihre innere Stimme zu dem winzigen Glühen. >Schau ihn dir an, wie er seine vermeintlich verletzte Ehre hätschelt, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, weshalb ich es getan haben könnte. Es kommt ihm gar nicht in den Sinn, dass es Gründe für mein Verhalten geben muss. Ich hoffe zu Gott, dass du kein Mann wirst, mein Kleines. Ich glaube, ich werde dieses Geschlecht nie verstehen. <
    Der rötliche Schimmer des Feuers beleuchtete das tief verinnerlichte, kaum sichtbare Lächeln in Roselynnes ausdrucksvollen Mundwinkeln. Das Lächeln einer Madonna, die fern der Welt über den Dingen schwebte. Das Lächeln einer Mutter, die mit einem Kind sprach, von dem niemand außer ihr etwas wusste.
    Zum Henker, wie kam sie dazu, so anrührend und sanft auszusehen? Justin d'Amonceux ballte die Fäuste im Dunkel und kämpfte um Beherrschung. Alles in ihm drängte ihn dazu, sie in seine Arme zu reißen, sie gegen jede Vernunft zu besitzen und zu unterjochen. Sie war eine Lügnerin, eine Dirne, eine Verräterin der schlimmsten Sorte, und dennoch - seine Arme fühlten sich leer an ohne sie. Sein Herz pochte schwer und schmerzhaft, und alles in ihm erinnerte sich an die Süße ihrer Küsse, den Zauber ihrer Leidenschaft.
    »Wollt Ihr nicht ans Feuer kommen?«, drang ihre einnehmende, gelassene Stimme nun an sein Ohr. »Es muss kalt sein dort im Dunkeln, und Ihr könnt mich hier ebenso gut verachten wie dort!«
    Nur Roselynne wusste, was es sie kostete, so viel Gefasstheit zu zeigen. Aber der Gedanke an ihr Kind hatte ihr neue Stärke gegeben. Im Grunde hatte sich an ihrer Lage kaum etwas geändert. Sie befand sich in der Gewalt eines Mannes, der seinen Willen über den ihren stellte, und sie bangte um die Sicherheit ihres ungeborenen Kindes.
    Schritte im Dunkel verrieten ihr, dass er ihre Einladung abschlug. Er ging. Sie blieb allein zurück. Mit der Zeit lernte sie diese Einsamkeit schätzen.

16. Kapitel
    Roselynne wusste nicht, ob es Nacht oder Tag war. Irgendwann im Lauf der endlosen Stunden hatte sie die Kontrolle über das Verrinnen der Zeit verloren. In der düsteren Krypta gab es nichts als den schwachen Schein des niedrigen Feuers und den Rhythmus der Wache, die sich die beiden Männer teilten. Sie hatte Mühe, sich mit der tatenlosen Rolle abzufinden, die ihr zugeteilt worden war, ohne dass man sie befragt hätte, was ihr gefiel.
    Anfangs hatte sie lange und erholsam geschlafen, aber nun zerrten die Stille, das Warten und das Nichtstun an ihrer Geduld. Sie war es nicht gewohnt, einfach herumzusitzen mit nichts anderem als den eigenen Gedanken zur Gesellschaft. Sie hätte jede noch so stumpfsinnige Arbeit vorgezogen, um genau diesen Gedanken zu entkommen. Wach sein bedeutete wieder zu wissen.
    Was sollte sie tun? Wie sich verhalten, wenn Justin d'Amonceux sie an den Hof zurückbrachte? Wie lange würde es dauern, bis man ihr ansah, dass sie ein Kind erwartete? Eine Frist blieb ihr ohnehin nur, wenn es ihr gelang, die scharfen Augen Lady Lilianas zu meiden. Vor ihrer Mutter gab es keine Geheimnisse. Sie liebte ein jedes ihrer Kinder und sie besaß die unheilvolle Fähigkeit, ihnen bis auf den Grund der Seele zu schauen.
    Irgendwann im Lauf dieser ewig gleichen Überlegungen hatte sie begonnen, das Gewölbe mit unruhigen Schritten zu durchmessen. Hin und her, auf einem Weg, den ihre Füße inzwischen wie von selbst kannten und der kein Licht benötigte.
    »Ihr werdet Euch die Sohlen durchlaufen«, hörte sie den jungen Gefährten des Grafen in einer Mischung aus Anteilnahme und Warnung murmeln. Er kauerte, in seinen Umhang gewickelt, neben dem Steinbogen zur Treppe, und bis zu

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