Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
Bildung anzueignen. Anders die männlichen Studenten, die augenscheinlich älter als die Fräulein waren und sich mit ihren flotten, schräg übers Ohr gezogenen Samtmützen alle als Knappen auswiesen. Sie folgten interessiert dem Unterricht und bewiesen im Labor bereits einiges Können.
Nun muss ich zugeben, dass auch ich nicht durchweg aufmerksam war, denn unter den Studenten befand sich jemand, der mich ablenkte - jener gut aussehende Messingblonde, dessen kurzer Anblick mich bereits vergangenes Jahr geblendet hatte. Heute beeindruckte er mich noch tiefer, vornehmlich sein Wesen, er war aufgeweckt und wirkte bei aller Männlichkeit dennoch sensibel, was mir seine feinschwingende Aura bestätigte.
Wahrscheinlich hatte mein Blick zu häufig auf ihm geruht, denn Magda, die dann und wann bei einer Vorlesung in der Bibliothek zugegen war, rügte mich bald: „Starr diesen jungen Herrn nicht ständig an, das gehört sich nicht.“
Erschreckt über ihre Beobachtung, lenkte ich sie mit einem rasch erfundenen Reim ab: „Ich guck so gern die Buben an, und die ham ihre Freud daran.“
„Tora, du benimmst dich oft flegelhafter als ein Junge“, entrüstete sie sich und deutete eine Drohung an: „Wenn ich diesen Spruch der ehrwürdigen Mutter weitergäb!“
„Tu’s doch, sie wird lachen darüber, denn sie war auch mal jung, aber du anscheinend nie.“
Verdattert gab sie zurück: „Aber ich bin doch erst sechsunddreißig!“
Darauf sah ich sie fassungslos an, ich hätte sie eher für sechsundfünfzig gehalten. Zum Glück fiel mir noch rechtzeitig eine passende Erwiderung ein: „Genau, Schwester Magda, und weil du so jugendlich bist, habe ich mir diesen Scherz bei dir erlaubt.“
„Achso“, lispelte sie und wandte sich ab. Jetzt war sie noch irritierter.
Ich in gewisser Weise ebenfalls, denn ihr Tadel hatte mich aufgerüttelt. Wenn schon ihr meine Blicke zu dem Blonden aufgefallen waren, überlegte ich, dann wohl erst recht den Studenten. Ihm selbst etwa auch? Au, wäre mir das unangenehm.
Darauf hielt ich meinen Blick strikt von ihm fern und konzentrierte mich ausschließlich auf den Lehrstoff.
Bald war das Schuljahr zu Ende, die Sommerferien begannen, und alle Studenten reisten für zwei Monde nach Hause zu ihren Familien. Ich schaute ihnen von den Stallungen aus mit wundem Herzen nach - Jeder wusste, welche Richtung er einzuschlagen hatte, wusste, wo sein Elternhaus stand, jeder konnte sich auf seine Familie freuen.
„G randios“, ich war überwältigt, dergleichen war bislang unvorstellbar für mich gewesen. „Grandios“, staunte ich über jede Einrichtung dieses Geländes. Schwester Mira führte mir in der letzten Ferienwoche die Schulanlage vor. Zunächst das parkähnliche Gelände mit seinen reich verzierten Lauben und Gartenmöbeln, der Voliere, in der etwa drei Dutzend Zwitscherlinge flatterten, und dem großen Reitplatz mit Turniereinrichtung.
Auf dem Weg zu den Schulgebäuden durchschritten wir einen mit Wasserspielen besonders fantasievoll angelegten Parkabschnitt, zu dem Mira mir erklärte: „Dies ist die bevorzugte Stätte der Fräulein, in ihrer Freizeit betreiben sie hier allerlei Gesellschaftsspiele, während sich die jungen Herren lieber auf ihren Pferden austoben.“
„Reiten“, brach es aus mir hervor, „ob ich das auch mal darf?“
„Damit warte besser noch“, meinte sie und fuhr fort: „Dort das hintere Gebäude ist die Herberge für die jungen Herren, sie steht unter Aufsicht unseres Probstes, Pater Karolus, er ist nicht nur unser Beichtvater, sondern auch der hiesige Religionslehrer. In dem vorderen kleineren Gebäude wohnen die Fräulein, abwechselnd beaufsichtigt von Schwester Elisabeth und mir. Lehrer und Schüler reden sich mit Ihr an, Tora, und bei dir werden wir Lehrerinnen hier ebenfalls deinen Nachnahmen gebrauchen, Fräulein von Tornheim. Privat bleibt es freilich bei unserem Du.“
Nun wagte ich, eins meiner Bedenken zu äußern: „Wie Schwester Magda mir sagte, sind die Fräulein beim Studiumsantritt meist sechzehn, einige sogar erst fünfzehn, und ich, ich bin bereits achtzehn. Welchen Eindruck werden sie nur von mir gewinnen?“
„Einen ganz normalen“, fegte sie mir diese Sorge aus dem Kopf, „da du jünger wirkst, als du bist, werden sie dich für eine Gleichaltrige halten.“
Dieses Argument überzeugte mich, und noch während ich einen erleichterten Atemzug tat, wies sie mit einer Kopfbewegung nach vorne: „Hier stehen wir vor dem Schulhaus selbst, das
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