Hexenlicht
sprach, schwang immer noch eine Spur seines italienischen Akzents mit, der die Vokale ein bisschen wärmer klingen ließ. »Ich habe dich gerufen, aber du hast mich nicht gehört. Das hat mich tief getroffen.«
»Dein Ego wird’s verkraften.«
»Hältst du mich etwa für eingebildet?«
»Du bist ein Vampir. Ihr spielt in einer eigenen Liga.«
»Stimmt, wie unsere Egos ebenfalls.« Alessandro schenkte ihr ein mattes Lächeln, das gleichzeitig vielsagend und harmlos war.
Holly drückte sanft seine Hand auf ihrem Arm. Seine kalte Haut zu fühlen ließ ihren Puls schneller gehen. Es war, als würde man einen Tiger oder einen Wolf streicheln: faszinierend, aber auch beängstigend, voller tödlicher Geheimnisse.
Manches Kribbeln war gar nicht gut. Mit einem Vampir zu arbeiten dürfte schon riskant genug sein. Alles, was darüber hinausging, wäre glatter Wahnsinn. Außerdem hatte sie schon einen festen Freund – einen, der nicht biss. Was sie allerdings nicht von gelegentlichen Phantasien über Alessandro abhielt, in denen für gewöhnlich Satinlaken und Schlagsahne vorkamen.
»Okay, dies hier ist das große böse Haus auf der Speisekarte«, erklärte sie.
Und wieder sind wir beim Essen!
Obwohl es dunkel war, trug Alessandro eine Sonnenbrille. Nun nahm er sie ab und klappte sie mit einer lässigen Handbewegung zusammen. Katzenhaft geschmeidig entblößte er Augen von demselben Goldbraun wie Bernstein. Eine Weile betrachtete er das Flanders-Haus mit ernster Miene. Selbst nach Jahren konnte Holly ihm nicht ansehen, was in ihm vorging.
»Wird es schwierig?«, fragte er schließlich.
»Kein Kinderspiel jedenfalls. Raglan hat mir schon einen Vorschuss gezahlt, was bedeutet, dass er Angst hat.«
Das Geräusch einer sich öffnenden Autotür bewirkte, dass sie sich beide umdrehten. Raglan stand neben Alessandros Wagen und lugte zur Fahrertür des amerikanischen Sechzigerjahre-Traumgefährts hinein, ein roter zweitüriger T-Bird mit viel Chrom und getönten Scheiben. Holly fühlte, wie der Vampir sich anspannte. Was seinen Wagen anging, teilte er höchst ungern.
Die runden Scheinwerfer blinzelten keck, als Raglan sich am Armaturenbrett zu schaffen machte. Alessandro schloss seinen Wagen nie ab; oft ließ er sogar die Schlüssel stecken. Gemäß Vampirlogik war es sein Wagen, den niemand anzurühren wagte. Und bisher hatte diese Logik sich auch bestätigt.
Raglan zog den Kopf wieder aus dem Wagen und schlug die Tür zu. »Netter Schlitten!« Sichtlich unsicher, ging er mit einem idiotischen Grinsen auf Abstand zu dem Auto. Er verhielt sich wie ein ertappter kleiner Junge.
Derweil gab Alessandro einen Laut von sich, der nur knapp jenseits eines Knurrens angesiedelt war.
Holly legte rasch eine Hand auf seinen Arm. »Nicht jetzt – ich brauche den Job!«
»Aber nur, weil du es bist«, entgegnete er, wobei der Klang jeder Silbe sie an kalte tote Orte erinnerte. »Fasst er ihn noch einmal an, ist er tot!«
Raglan räusperte sich. »Ist das Ihr Partner? N’Abend auch!« Zwar kam er näher, sorgte jedoch dafür, dass Holly als Puffer zwischen ihm und dem Vampir blieb.
Alessandro lächelte bedrohlich, weshalb Holly ihm sicherheitshalber einen Knuff versetzte, ehe er etwas sagen konnte.
Raglans Blick wanderte zum Haus, und sein Gesichtsausdruck wechselte von angespannt zu kurz vor der Explosion. »Und, was ist? Legen Sie jetzt los?«
»Ich möchte vorher noch eine Sache überprüfen. Sie erwähnten, dass gestern etwas passiert ist. Können Sie uns erzählen, was genau das war? Wir brauchen Einzelheiten.«
»Tja, na ja, wie gesagt, gestern ist alles schiefgelaufen.« Raglans Stimme zitterte.
Sofort kribbelte es unangenehm in Hollys Nackenhaaren.
Nach kurzem Zögern schloss Raglan die Augen und fuhr fort: »Soweit ich gehört habe, gingen vier von den Jungs aus der Studentenverbindung am späten Nachmittag ins Haus, um eine Party zum Ferienende zu feiern. Das durften die eigentlich gar nicht, weil die Verträge ja noch nicht unterschrieben waren, aber sie sind durch ein Fenster rein. Schätze, die wollten das Haus schon mal einweihen. Tja, jedenfalls kamen sie nicht wieder raus.«
»Vielleicht sind sie noch drinnen und schlafen ihren Rausch aus«, gab Holly hoffnungsvoll zu bedenken. Sie wusste, dass Leugnen zwecklos war, aber bei ihr hatte es Tradition. Jemand musste es ja tun.
Raglan schüttelte den Kopf. »Nee, da muss mehr dahinterstecken. Die Polizei war schon hier und hat Fragen gestellt.«
»Die
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