Hexer-Edition 04: Tage des Wahnsinns
Feuer in meinen Lungen.
»Bring ihn um!«, schrie Priscylla.
Acorn war für einen Moment abgelenkt. Ich riss den Revolver hoch und schlug ihm den Kolben ins Gesicht. Er taumelte, riss das Messer hoch und stürmte wieder auf mich zu. Funken stoben auf, als Metall auf Stein traf und die Klinge eine fingertiefe Scharte in die Wand biss.
Ich packte seinen Arm, bog ihn nach hinten und stieß ihn von mir. Bevor er sich fangen konnte, schickte ich ihn mit ein paar wuchtigen Faustschlägen zu Boden.
Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn. Priscylla war wichtiger. Ich wandte mich um, wollte auf sie zugehen …
Einen fürchterlichen, schrecklichen Moment begegneten sich unsere Blicke. Und irgendetwas geschah mit mir …
Der Raum schien sich um mich zu drehen. Dumpfe Übelkeit stieg aus meinem Magen empor und meine Arme und Beine fühlten sich mit einmal taub und schwer an. Meine Umgebung verschwamm vor meinen Augen. Die Anstrengung, einen Fuß vor den anderen zu setzen, war fast zuviel. Mein Puls raste. Das Blut rauschte in meinen Ohren und vor meinen Augen begannen graue Schatten zu treiben.
Aber ich gab nicht auf. Ich durfte nicht zulassen, dass Priscylla das Opfer vollzog. Ich durfte nicht zulassen, dass sie Kräfte rief, denen wir alle nicht gewachsen waren. Und ich durfte nicht zulassen, dass sie eine unschuldige Frau umbrachte …
Der Dolch in ihrer Hand bewegte sich, als wäre er zu eigenem Leben erwacht. Durch ihren Körper lief ein Zittern. Für einen Moment, für einen winzigen Augenblick nur, ließ ihre Konzentration nach.
Ich spürte meine Chance, und ich war willens, sie zu nutzen. Mit aller Kraft, die mir noch geblieben war, kämpfte ich gegen die unsichtbaren Fesseln, die meinen Verstand umklammerten.
Es kam dem Versuch gleich, aus vollem Lauf gegen eine Steinmauer zu springen, um sie zum Einsturz zu bringen. Furchtbare Gewalten schleuderten mich zurück und drohten mich zu vernichten.
Ich schrie auf. Mein Herzschlag setzte für einen Moment aus. Krampfhafte Schmerzen durchliefen meinen Geist und versuchten ihn in einem Strudel mit sich zu reißen. Ein fast unerträglicher Druck drohte meinen Kopf zu sprengen.
Ich kämpfte mit aller Kraft dagegen an, aber es war wie das müde Aufflackern einer Kerze gegen eine rauschende Sturmflut. Gewalten jenseits aller Vorstellungskraft zerrieben mich wie Mühlsteine zwischen sich. Fast schien es, als bemerkten sie meinen Widerstand nicht einmal.
Kalte Wut begann in mir aufzusteigen; Wut, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte. Ich stieß zu. Immer und immer wieder, ohne zu wissen, was ich da eigentlich tat.
Und plötzlich war es vorbei.
Der Schleier aus Schmerz und Betäubung, der sich über mein Bewusstsein gelegt hatte, zerriss. Ein Gefühl von Kraft und Stärke durchpulste mich. Ich ließ nicht nach. Ich drängte den fremden Willen, der mich gelähmt hatte, weiter zurück.
Es dauerte einen Moment, bevor ich wieder in der Lage war, mich meiner Umgebung zu widmen. Ich hatte das Gefühl, aus einem Alptraum heraus in einer viel grauenhafteren Wirklichkeit zu erwachen.
Sean stand vor mir, zwischen Priscylla und mir. Seine Hände umklammerten ihren Hals. Der Dolch, den Priscylla noch immer in der Hand hielt, zitterte über seinem Rücken, als wolle sie ihn jeden Moment herabfahren lassen.
»Priscylla!«, schrie ich.
Die Angst um sie ließ mich meine Lähmung vergessen. Zwar war sie es gewesen, die Acorn auf mich gehetzt hatte, aber ich wusste, dass sie dafür nicht verantwortlich war. Aber auch wenn sie es gewesen wäre – ich konnte nicht zulassen, dass Sean sie erwürgte.
Mit einem einzigen Satz war ich bei ihm. Ich packte ihn bei den Schultern und versuchte ihn zurückzuziehen.
Er ließ von Priscylla ab und drehte sich mit aufreizender Langsamkeit zu mir um. In seinen blutunterlaufenen Augen stand ein erschreckender Ausdruck. Die Worte, die ich ihm ins Gesicht schreien wollte, blieben mir im Halse stecken. Ich wusste mit plötzlicher Sicherheit, dass er es war, vor dem Priscylla die ganze Zeit über Angst gehabt hatte. Es war nicht Andara, und doch hatte er irgendetwas mit ihm zu tun.
Sean schlug ohne Vorwarnung zu. Er traf mich an der Schulter und ließ mich zurücktaumeln.
Wie ein wütender Bär ging er auf mich los. Ich ahnte, dass ich nur in der Flucht mein Heil suchen konnte. Seinen gewaltigen Körperkräften hatte ich nichts entgegenzusetzen. Ich hatte mittlerweile sogar den Revolver verloren.
Ich wich seinem Frontalangriff aus und
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