Hinterher ist man immer tot: Roman (German Edition)
alle waren?«
Evelyn nimmt mit zitternder Hand ihre Brille ab. »Fick dich, Danny. Das ist billig. Natürlich weiß ich noch, wie’s damals war. In Irland, wir drei zusammen. Das war die glücklichste Zeit meines Lebens. Ich denke ständig daran. In meiner Erinnerung liegt auf all dem ein Glanz, als wär’s Magie.«
Das ist genau das, was ich hören wollte, aber ich fühle mich trotzdem nicht besser.
»Also was zum Teufel ist los? Ich hab dich gerettet.«
Evelyns Augen sind der einzige Teil ihres Gesichts, der ehrlich ist. Schmerz und Müdigkeit liegen darin.
»Du hast mich gerettet? Du hast mich bei Edit abgeliefert.«
»Weil ich geglaubt habe, das Richtige zu tun.«
Evelyn versteckt die Hälfte ihres Gesichts hinter ihrer übergroßen Brille.
»Das Richtige? Danny, richtig und falsch sind Begriffe für Menschen, die eine Wahl haben. Ich bin längst darüber hinaus. Ich war fest davon überzeugt, in spätestens einem Jahr sowieso tot zu sein, also macht mir ein kleines bisschen Übereifer seitens Edit nichts aus, sofern es bedeutet, dass ich in einem sauberen Bett schlafen kann und mir ein Mädchen die Haare macht.«
Das klingt schrecklich. Entsetzlich. Wie der letzte Nagel im Sarg der Hoffnung.
»Sie wollte mich umbringen lassen, Evelyn. Diese Polizisten wollten mich foltern.«
Evelyns Mundwinkel zucken. Ist das Herablassung?
»Ach ja? Und wo sind die beiden jetzt, Danny?«
Plötzlich lässt mich meine letzte Blutsverwandte fallen, stößt mich von sich. Evelyn weiß, dass Krieger und Fortz tot sind. Das war ihre Bedingung.
Eiskalt.
»Tante Evelyn. Ev. Ich kann mich um dich kümmern. Edit ist gefährlich.«
Evelyn trägt Lippenstift auf. Es ist fast unmöglich, sie sich noch als die stinkende Besoffene vorzustellen, die ich letzte Woche in meinen Wagen verfrachtet habe. Das neue Image begräbt das alte unter sich.
»Hör mal zu, Danny. Ich bin von zu Hause weg, war unterwegs, hab meiner Familie den Rücken gekehrt. Ich dachte, das war’s. Daddy würde die Verbindung zu mir ebenso abbrechen wie zu Margaret. Bis vor wenigen Monaten habe ich geglaubt, ich sei mittellos. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich für ein paar Dollar zu tun bereit war. Ich habe Menschen sehr weh getan. Ich habe gestohlen. Ich bin mit Männern aufs Klo verschwunden, Danny. Für einen Bourbon. Also scheiß drauf, weißt du? Scheiß drauf. Ich hab von diesem Leben für immer die Schnauze voll. Und wenn es bedeutet, dass ich auf der Hut sein muss, dann ist das egal, denn das musste ich vorher auch.« Sie tätschelt meine Hand. »Du lebst, und ich lebe, und das ist gut. Also musst du jetzt aufhören, mich anzurufen, und mir von deinen Pfadfinderplänen erzählen. Ich bin schon gerettet, Danny. Ich habe mich selbst gerettet.« Dann hält sie inne und verkündet: »Und ich habe dich gerettet.«
Wahrscheinlich stimmt das sogar.
»Die Bösen sind tot, die Guten leben und dürfen weitersaufen.«
Nicht alle Bösen sind tot. »Ich sehe, du hast Pablo mitgebracht.«
Evelyn lacht, und sogar ihr Lachen klingt jetzt nach Manhattan und Privatschule. »Pablo ist ein Alptraum. Er zwingt mich, Dehnübungen zu machen. Ich kann kaum noch sitzen. Und das Neueste ist, dass ich nur noch Champagner trinken darf, der hat nämlich relativ wenig Kalorien.«
»Was für ein Arschloch.«
»Es ist zu meinem eigenen Besten. Schließlich will ich mich im Sommer im Bikini sehen lassen. Außerdem fährt er mich, ich habe keinen Führerschein, und selbst wenn ich einen hätte, wäre ich ja mehr oder weniger konstant über der Promillegrenze.«
Ich lächele matt. »Jeder sollte einen Pablo haben.«
»Na dann, okay«, sagt Evelyn, und ich merke, dass das Treffen vorbei ist. »Wenn ich etwas für dich tun kann, Dan, jederzeit. Bitte zögere nicht, mich anzurufen.« Sie neigt besorgt den Kopf. »Wie läuft’s denn so mit diesem Provinzganoven, diesem Irish Mike?«
Ganove? Seine eigene Mutter hatte ihn mit drastischeren Begriffen belegt.
»Mike geht’s gut. Wir kommen klar.«
»Schön, toll, phantastisch«, sagt Evelyn Costello und springt auf ihre teuer beschuhten Füße. »Dann verstehen wir uns also, mein Lieber? Uns beiden geht es gut, lass uns einfach weitermachen.«
Evelyn beugt sich zu mir vor und drückt mir ein Küsschen auf die Wange, hinterlässt einen Lippenstiftabdruck.
»Edit und ich fahren ein paar Wochen in die Hamptons. Wir halten es beide für eine gute Idee, mich in die Brunch-Lunch-Gesellschaft einzuführen.«
»Dann lächle
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