Historical Exklusiv Band 20
durchbrach ab und zu die Stille. Von draußen drangen die Stimmen der Ritter leise an ihre Ohren, und sie hatte die Gewissheit, dass es mit den Reitern zu keinem Zusammenstoß gekommen war.
Marcus würde bald zurückkommen. Sie brauchte keine Angst vor ihm zu haben, denn sie wusste, dass er es vorzog, Abstand von ihr zu halten. Sie lastete es ihm nicht an, dass er ihre Landsleute verachtete – schließlich waren Iren für den Tod so vieler unschuldiger Menschen verantwortlich. Sie konnte nur hoffen, dass er ihr nicht gänzlich aus dem Weg ging.
Keelin hatte sich nie so lebendig gefühlt wie in dem Moment, als der junge Graf sie in seinen Armen gehalten hatte.
Gewiss, er hatte sie nur getragen, da er wusste, was ritterliches Benehmen war, denn sie hatte sich kaum noch auf den Beinen halten können. Ihr war klar, dass sie von dem jungen Grafen nicht mehr erwarten durfte als reine Höflichkeit. Dennoch, seine Berührung und seine Sorge um ihr Wohlergehen erweckten tief in ihr Gefühle, die sie noch nie empfunden hatte.
Durch seine Nähe regte sich ihre Sehnsucht nach Geborgenheit, die ihr bislang nicht vergönnt gewesen war. Aber vielleicht wird sich alles zum Guten wenden, dachte sie voller Hoffnung, sobald ich wieder in Irland bin und in Erfahrung bringe, was mein Vater vor seinem Tod für mich beschlossen hat.
Beleuchtet von dem flackernden Schein des Herdfeuers löste Keelin die Schnüre ihres Gewandes, streifte es ab und behielt nur das leinene Unterkleid an. Dann hüllte sie sich in einen dicken wollenen Umhang, der sie züchtig bedeckte, falls Marcus de Grant die Hütte betreten sollte.
Jahrelang war es Keelin gelungen, die schmerzliche Einsamkeit zu verdrängen, aber nun drohte das Gefühl des Alleinseins sie zu überwältigen. Sie hatte sich stets um Tiarnan gekümmert, für neuen Unterschlupf gesorgt, wenn es nötig geworden war, hatte das Essen herbeigeschafft, in Dörfern um Waren gefeilscht und sich ansonsten abseits aller Menschen aufgehalten, um den Kriegern der Mageean zu entkommen.
Nicht einen Augenblick hatte sie in den zurückliegenden Jahren einen Gedanken daran verschwendet, wie ihr Leben hätte verlaufen können. Nie hatte sie an die Heirat gedacht, die ihr Vater für sie beschlossen hatte, oder daran, ob sie schon Kinder haben könnte. Sich die verloren gegangenen Jahre nun zu vergegenwärtigen, war zu schmerzlich für sie.
Sie zwang sich, nicht in Tränen auszubrechen, denn sie hatte ihre Pflicht zu erfüllen. Sie musste sich um Tiarnan und Adam kümmern, ihr weiteres Vorgehen planen und die Habseligkeiten zusammenpacken. Jetzt war nicht der Zeitpunkt, sich törichtem Selbstmitleid hinzugeben.
Marcus duckte sich, als er die Hütte betrat, und sah, dass sich im Innern kaum etwas verändert hatte. Der einzige Unterschied bestand darin, dass er nun mit Lady Keelin allein war. Keiner seiner Ritter wachte mehr über Adam, und der alte Mann schlief tief und fest.
Die Irin hatte ihr Gewand abgelegt.
Der Duft von Kräutern erfüllte den Raum, und das Feuer spendete eine angenehme Wärme. Lady Keelin sah schläfrig aus, und ihr offenes, dunkles Haar fiel ihr über die Schultern. Sie war sehr still und nachdenklich. Von ihr schien eine tiefe Traurigkeit auszugehen, die Marcus bislang nicht an ihr wahrgenommen hatte.
Er reichte ihr die Decken und zog linkisch seine Hand zurück, als ihre Finger ihn berührten.
„Mylord?“, flüsterte sie.
„Ihr könnt Euch ein Lager am Feuer bereiten“, erklärte er und geriet ins Stocken, als er in ihre dunkelgrünen Augen sah, die von langen Wimpern umrahmt waren. „Ich … ich werde über Adam wachen.“
Keelin nahm die Decken. „Ist alles gut verlaufen?“, fragte sie mit weicher Stimme. „Haben die Reiter Euch bedroht?“
Marcus schüttelte den Kopf und fragte sich, warum ihre Augen einen solch verräterischen Glanz hatten. Nur keine Tränen, hoffte er. „Es waren Kirkhams Männer, die von der Jagd nach den Kelten zurückkamen.“
„Haben sie die Schurken stellen können?“
„Zumindest hat man mir versichert, dass wir nicht mehr auf Eure Landsleute treffen werden.“ Marcus ließ sich neben Adams Schlafstatt nieder. Er merkte nicht, dass Keelin bei dem Wort Landsleute zusammenzuckte. „Wie geht es dem Jungen?“
„Ich habe ihm etwas gegeben, damit er besser schlafen kann“, erwiderte sie.
Marcus berührte die Stirn seines Vetters. „Er hat kein Fieber.“
Keelin nickte, sprach aber nicht offen aus, was sie beide wussten. Das Fieber
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