Historical Exklusiv Band 20
vor dem Anblick zurück, aber sie vermochte nicht, die schrecklichen Bilder, das Geschrei und den stechenden Geruch loszuwerden. Sie wollte fortlaufen, schien indes mit dem Boden verwachsen zu sein.
Zwei kräftige Hände schlossen sich um den Knauf der todbringenden Klinge. Jemand stellte achtlos seinen Fuß auf Cormacs leblosen Körper, als das Schwert aus der Brust gezogen wurde.
Dann hörte Keelin einen gälischen Siegesruf und sah das verzerrte Gesicht des Mannes, der den Ruf ausgestoßen hatte. Es war Ruairc Mageean, der die blutige Klinge hoch über seinem Haupt schwang.
4. KAPITEL
Marcus fing Lady Keelin auf, als sie taumelte, und trug sie zu der Decke neben dem Herdfeuer. Die junge Irin hatte das Bewusstsein verloren, aber ihr Körper wurde noch immer von heftigen Krämpfen ergriffen, als ob sie im Fieber läge oder von Schüttelfrost geplagt würde. Er hüllte sie in eine der Decken.
Was war geschehen? Vor wenigen Augenblicken noch war sie wie betäubt gewesen von dem Kuss, dann hatten sich plötzlich ihre Augen vor Entsetzen geweitet, und sie hatte zu zittern und zu wimmern angefangen. Er war nicht so töricht zu glauben, dass allein sein Kuss eine derartige Wirkung auf sie ausgeübt hatte, aber er konnte sich nicht vorstellen, was ihr widerfahren war.
Er zog die Stirn in Falten, als er sie sachte schüttelte und über ihre Hände rieb, damit sie wieder zu Bewusstsein kam. Doch all seine Bemühungen blieben erfolglos. Sie war in eine tiefe Ohnmacht gefallen. Je länger sie in diesem Zustand verharrt, desto schlimmer wird es für sie, dachte Marcus voller Sorge.
Da er keine Lösung wusste, stand er auf und ging zu der Schlafstatt von Keelins Onkel und weckte den alten Mann aus tiefem Schlaf.
„Was ist? Keely?“, fragte Tiarnan erschöpft. „Bist du …?“
„Wacht auf, alter Mann“, sagte Marcus mit gedämpfter Stimme. „Irgendetwas ist Eurer Nichte widerfahren. Gerade eben ging es ihr noch gut, doch dann …“
„Doch dann?“, drängte der Greis, wobei tiefe Sorgenfalten seine Stirn zerfurchten.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Marcus. „Ihr Blick war mit einem Mal umwölkt, und sie stand nur da und starrte.“
Tiarnan wurde von einem krampfartigen Husten geschüttelt, richtete sich mit Mühe auf und presste die Hand auf die Brust. „Hat sie angefangen zu zittern und zu wimmern?“
Marcus nickte und dankte dem Himmel, dass der alte Mann zu begreifen schien, was geschehen war, obgleich er Tiarnans besorgtem Gesichtsausdruck nicht allzu viel Bedeutung beimaß. „Ja, das hat sie.“
„Oh, nein. Sie kommen in zu rascher Folge“, kam es halblaut und niedergeschlagen von dem Greis. „Sie hat eine Vision gehabt“, sagte Tiarnan dann zu dem jungen Grafen gewandt. „Hat sie die Lanze in Händen gehalten, oder hat sie …?“
„Was für eine Lanze?“, unterbrach Marcus den Alten, da er die rätselhaften Worte nicht begriff. Die schöne Keelin lag womöglich im Sterben, und ihr Onkel brachte nichts als törichtes Gerede zustande.
„Oh, bei allen Heiligen, es brach demnach aus ihr allein hervor! Und die Macht hat ihr das Bewusstsein geraubt?“
„Die Macht von was?“, fragte der Graf außer sich und schaute erneut zu Keelin hinüber, die noch immer zitternd unter der Decke lag. „Ich verstehe nicht, O’Shea.“
„Nein, das könnt Ihr auch nicht, mein Junge“, erwiderte Tiarnan, und es fröstelte ihn.„Es ist kalt heute Nacht. Am besten hüllt ihr das Mädchen in ein paar Decken, nehmt sie in Eure Arme und gebt ihr etwas von Eurer Körperwärme. Ich erkläre Euch dann alles so gut ich kann.“
Marcus war alles andere als abgeneigt, den Anweisungen des alten Mannes Folge zu leisten. Rasch zwängte er sich zwischen Keelin und die Wand, zog die junge Frau eng an seinen Körper, schloss sie in seine Arme und schlug eine weitere Decke um ihre Schultern. Aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen, und ihr Leib fühlte sich eiskalt an. Marcus konnte kaum glauben, dass dieselbe Frau in seinen Armen lag, deren verführerische Rundungen er noch Augenblicke zuvor genossen hatte. „Sprecht, O’Shea. Erzählt mir, was ihr derart zu schaffen macht.“
Tiarnan musste einen neuen Hustenanfall über sich ergehen lassen, bevor er in der Lage war, mit seiner Geschichte anzufangen. Endlich räusperte er sich und begann zu erzählen, während Marcus Keelin eng umschlungen hielt und ihr seine Wärme spendete.
„Das Mädchen hat eine besondere Gabe, so könnte man sagen“, hob der Greis
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