Historical Gold Band 261 (German Edition)
die Kutsche über die Straße fuhr, die sich zwischen den Feldern entlangwand. Es war Mitte September, die Blätter färbten sich bereits. Zwei kleine Jungen spielten mit einem Ball an der Straße. Elizabeth deutete auf sie.
„Du spielst doch auch gern Ball. Vielleicht hat einer von Mrs Clausens Söhnen heute Nachmittag Lust, mit dir zu spielen.“ Mrs Clausen war die Haushälterin. Eine freundliche Frau, die ihre verwaisten Enkel aufzog, zwei Jungen im Alter von acht und neun Jahren. Sie mochten Jared, kamen aber nur selten zu ihm, weil er so schüchtern war. „Warum fragst du sie nicht, wenn wir wieder zu Hause sind?“
Jared sagte nichts, aber er beobachtete weiterhin die Jungen, und der Ausdruck in seinem Gesicht trieb ihr Tränen in die Augen. Solange er auf Aldridge Park blieb, würde er nicht aus dem Schneckenhaus herauskommen, das er sich geschaffen hatte, um sich zu schützen. Ein Grund mehr, warum es gut wäre fortzugehen.
Nicht fortgehen, korrigierte sie sich im Stillen. Fliehen war das richtige Wort.
Solange ihr Schwager und seine Frau, Mason und Frances Holloway, auf Aldridge Park lebten, war sie eine Gefangene in ihrem eigenen Haus.
Ihre Kopfschmerzen wurden schlimmer, und hinter ihrer Stirn begann es zu pochen, wie so oft in den letzten Tagen. Sie fürchtete sich vor Mason. Er gehörte zu der Sorte Männer, die ihr ein wenig zu dicht auf den Leib rückten und sie ein wenig zu häufig berührten. Sie musste gehen, aber sie war sicher, dass er sie verfolgen würde. Sie wusste nicht, wie weit er es treiben würde, um sie und Jared – der nun der Earl of Aldridge war – unter seiner Kontrolle zu behalten. Aber sie war sicher, dass es nur wenig gab, was er nicht zu tun bereit wäre.
Sie hatte Angst. Nicht nur um sich selbst, sondern vor allem um ihren Sohn.
Sie sah Reese Dewar vor sich. Stark, geschickt, ein Kriegsveteran, ein Mann, der seine Familie beschützen würde, was auch immer es ihn kostete.
Aber Reese war nicht ihr Mann, und er würde es auch niemals sein.
Und sie konnte niemand anderem als sich selbst die Schuld daran geben.
Als Reese nach Briarwood zurückkehrte, war seine Stimmung gedrückt und nachdenklich. Er versuchte, nicht an Elizabeth zu denken, doch er schien sie nicht aus seinem Kopf verbannen zu können. Was hatte sie nur an sich? Wie hatte sie ihn über so viele Jahre gefangen halten können? Warum hatte keine andere Frau die Mauer um sein Herz durchdringen können, so wie sie es getan hatte?
Timothy Daniels, sein Bursche – ein stämmiger junger Corporal, der ihm schon viele Jahre gedient hatte, ehe er verwundet und nach Hause geschickt worden war –, betrat in diesem Augenblick sein Arbeitszimmer.
„Sie sind wieder da“, sagte Daniels. „Brauchen Sie irgendetwas, Sir?“ Als Tim vor Reeses Tür gestanden hatte, war er ohne Arbeit gewesen, dafür aber sehr hungrig. Innerhalb weniger Wochen hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, sich um Reeses Wohlergehen zu kümmern. Da das verdammte Bein Reese ziemlich behinderte, war er froh, einen Mann zu haben, auf den er sich verlassen konnte.
„Mir fehlt nichts, Tim.“
„Rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen.“
Reese runzelte die Stirn. „Ich nehme an, ich werde es schaffen, mich ein paar Stunden lang mit diesen verdammten Büchern zu beschäftigen.“ Tatsächlich hasste er Schreibtischarbeit und wäre viel lieber draußen gewesen, was Tim, der ja selbst Soldat gewesen war, gut zu verstehen schien.
„Jawohl, Sir. Wie ich schon sagte …“
„Das ist alles, Corporal.“ Reese wurde der Fürsorge des jungen Mannes überdrüssig und stieß die Worte im knappen militärischen Kommandoton hervor.
„Jawohl, Sir.“ Tim schloss lautlos die Tür und ließ Reese allein in dem holzgetäfelten Raum zurück. Das Arbeitszimmer war sein Refugium, ein bequemes Zimmer voller Bücher, ein warmer, einladender Ort, wo im Kamin ein Feuer brannte und er sich von den Erinnerungen fernhalten konnte, die in anderen Teilen des Hauses zu wohnen schienen.
In den Tagen seiner Brautwerbung war Elizabeth mehr als einmal auf Briarwood gewesen. Sie liebte den Efeu, der sich an den weiß getünchten Mauern emporrankte und von der Veranda herabhing. Das hatte sie jedenfalls gesagt. Sie liebte auch das steile Dach mit den verspielten Schornsteinen, durch die das Haus aussah, als stamme es aus einem Märchen.
Sie hatte Pläne gemacht, wollte den Salon blassrosa streichen und Spitzenvorhänge aufhängen lassen. Hinter dem Sofa sollte
Weitere Kostenlose Bücher