Feuerteufel - Die Geschichte Von Simeon Und Usher
Hunger
Simeon streckte seine Flügel.
Er musste sich die Wunden lecken und sich regenerieren. Amon, sein Herr, hatte
ihn bestraft, auf höchst unangenehme Weise. Zu den Füßen des Wolfsdämons mit
dem Schlangenschwanz hatte er eine lange Zeit verbracht, jederzeit verfügbar
für seine widerlichen Gelüste. Um das Maß vollzumachen, hatte er das Ganze in
Menschengestalt über sich ergehen lassen müssen.
Sein ganzer Körper
schmerzte; in seiner wahren Form zu verweilen, tat ihm gut. Doch er brauchte Nahrung,
dafür musste er sich wohl oder übel wieder menschlich machen und sich eine
Seele einverleiben. Es war zu riskant, in dieser Welt mit brennendem Gefieder aufzutreten.
Die Uhr am
Universitätsgebäude zeigte schon weit nach Mitternacht. Seine potenziellen
Opfer schliefen zum größten Teil, nur noch vereinzelte Passanten waren unterwegs.
In dem Viertel lebten einige Künstler, die oft Besucher hatten. Simeon
schmeckten kulturell angehauchte Seelen auf dem Heimweg am besten, wenn er schon
keine verdorbenen haben konnte.
Er hatte York mit Bedacht
als Standort gewählt. Hier gab es zwar kein ausgeprägtes Nachtleben, dafür hatte
er wenig Konkurrenz. In den Amüsiervierteln der größeren Städte herrschte reges
Treiben, seine Artgenossen lauerten wie die Geier auf die lasterhaften
Besucher. Rivalisierende Clans bekämpften sich in einem immerwährenden Krieg.
Das war nichts für ihn, er war ein Einzelgänger.
Während Simeon sich auf
dem Dachsims eines alten Hauses niederließ, fühlte er eine Präsenz, die auf ein
anderes nicht-menschliches Wesen hinwies: auf einen Vampir. Dämonen und
Blutsauger mochten sich nicht, doch er war geschwächt und verspürte wenig Lust,
einen Streit zu provozieren. Trotzdem passte es ihm nicht, einen Rivalen bei
der Jagd zu haben, wenn der Tisch nicht gerade üppig gedeckt war.
Er nutzte die Schwingen,
um seine Sinne zu verstärken. In einiger Entfernung hörte Simeon ein leises
Schlurfen auf dem Pflaster. Fast zeitgleich entdeckte er den Vampir, der im
Dunkel lauerte. Offensichtlich hatte dieser seine Zielperson ebenfalls
wahrgenommen.
Lautlos schwebte Simeon hinunter
und war wenig verwundert, als sich der hochgewachsene Blutsauger zu ihm
umdrehte. Dessen Ohren waren nicht schlechter als seine eigenen.
„Der Kerl gehört mir!“,
knurrte Simeon und trat in seiner menschlichen Gestalt auf den Untoten zu, der
im Gegensatz zu ihm ein mattes Glimmen in den Augen hatte. Bei ihm loderte es,
denn Wut stieg langsam in ihm hoch: Er brauchte diese Beute!
„Ah, ein Dämon. Wie
schön, einen Kollegen zu treffen.“ Der Vampir grinste ihn an und zeigte dabei
seine ausgefahrenen Hauer. „Und einen hübschen dazu.“
So ein Arschloch! Simeon
betrachtete ihn ganz sicher nicht als Kameraden, sie standen noch nicht einmal
zwingend auf einer Seite. Die Feindschaft zwischen ihren Spezies war ihnen in
die Wiege gelegt. Trotzdem schmeichelte es ihm, von einem Vampir als gut
aussehend bezeichnet zu werden. Immerhin war der Bursche selbst nicht zu
verachten. Langes dunkles Haar umwehte das markante Gesicht.
Den Untoten umgab allerdings
eine dumpfe Ausstrahlung, nicht wie bei einem Menschen, den eine mehr oder
weniger strahlende Aura begleitete. Der Blutsauger hatte ebenso wenig
„göttliche“ Energie in sich wie er selbst: uninteressant.
Der Vampir knurrte leise,
als er sich ihm näherte. Für die feine Nase roch ein Dämon verführerisch.
Simeon wusste, dass dem Burschen das Wasser im Mund zusammenlaufen musste. Sein
schwarzes Blut war aber das reinste Gift für ihn, eine böse Versuchung. Das
gefiel ihm.
Aufmerksam spitzte Simeon
die Ohren. Die Geräusche kamen näher, bald würde ihnen ihre Mahlzeit
unweigerlich in die Finger laufen. Egal, wie sie sich entschieden hätten. Auch
sein Rivale schien zu verstehen. Er hob die eleganten Augenbrauen und lächelte.
„Lass uns teilen. Du willst nicht sein Blut, ich will nicht seine Seele. Ich
heiße Matisse.“
„Simeon.“ Wie gern hätte er
dem Kerl das arrogante Grinsen mit einem Feuerball weggepustet, doch er hatte
nicht unrecht. Sie hatten keinen Interessenskonflikt, der einen Kampf
rechtfertigte. Leise grollend zog er sich in die Schatten zurück. Wenn dieser
Matisse versuchte, ihn übers Ohr zu hauen, würde er ihn grillen.
Simeon stutzte, als ihr
Opfer in Sichtweite kam. Der Kerl mit dem halblangen Haar war groß und schlank.
Schon auf den ersten Blick fiel ihm der muskulöse Körper auf, auch das Gesicht
mit dem dunklen Dreitagebart
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