Historical Saison Band 18 (German Edition)
entlanggewandert war.
Er hatte völlig recht. Sie schuldete ihm eine Erklärung, und wenn sie sich selbst akzeptierte, konnte sie auch jedem anderen erhobenen Hauptes gegenübertreten. Erst recht dem Mann, dessen Meinung ihr wirklich wichtig war.
„Ich dachte, die Erklärung läge auf der Hand. Als du mich gestern genommen hast, wusstest du doch schon, dass ich keine Jungfrau mehr bin.“
Er trat vor sie hin. „Ja. Mein ehemaliger Freund Belfort prahlte mit seiner Eroberung, und ich hätte ihn dafür beinahe umgebracht. Deswegen schickte mich mein Vater nach Amerika.“
Sie starrte ihn an. „Du wolltest meinetwegen deinen Freund umbringen?“
„Ja. Er hätte es verdient.“
Pompeia zögerte, aber sie musste es sagen. „Nein. Denn ich gab mich ihm freiwillig hin.“
„Er hätte ablehnen sollen.“ James zuckte mit den Schultern. „Unwichtig, es ist Vergangenheit. Du warst damals schon reizvoll, aber inzwischen besitzt du eine verheerende Anziehungskraft. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn es nicht wenigstens einem Mann gelungen wäre, dich zu verführen.“
Hatte er nicht zugehört? „Ich bin eine gefallene Frau.“ Sie machte eine Pause. „Ich verdiene keinen Schutz, und schon gar keine Ehe mit einem respektablen Mann. Meine Urgroßmutter hatte Glück, dass sie nicht mittellos und einsam starb.“
„Das ist lächerlich.“ Er schüttelte den Kopf. „Wer hat dir das gesagt?“
„Meine Eltern“, antwortete sie. „Ich bin von Natur aus lasterhaft, genau wie Urgroßmama Pompeia. Lange verstand ich nicht, was das bedeutete. Selbst nach Mr Belforts Prahlereien und all dem Klatsch war ich noch dumm genug, zuzugeben, dass ich Freude an der körperlichen Liebe gehabt hatte. Meine Eltern weigerten sich, mich überhaupt irgendjemanden heiraten zu lassen. In ihren Augen war ich nicht nur entehrt, sondern auch gefährlich unmoralisch. Sie befürchteten, ich würde noch mehr Schande über die Familie bringen.“
„Was für ein hanebüchener Unsinn“, murmelte er angewidert. „ Sie sind es, die ehrlos waren, dich so schlecht zu behandeln.“
Im ersten Moment war sie sprachlos vor Verblüffung. Dann wallte Dankbarkeit in ihr auf. „Danke, das ist lieb von dir.“
„Nein, ist es nicht“, widersprach er. „Es ist wahr . Hättest du auf den Rat deiner Urgroßmutter gehört, wüsstest du das.“
Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Nach einem Augenblick fuhr Pompeia fort: „Als sie mir riet, dass ich stets ich selbst sein soll, war ich noch ein Kind. Sie konnte nicht wissen, wie ich mich entwickeln würde.“
„Sie sagte auch, dass du den Meinungen anderer keine Macht über dich einräumen sollst.“
„Aber …“ Pompeia hatte nie daran gezweifelt, dass die Meinung ihrer Eltern und die der Gesellschaft richtig waren. War das ein Fehler gewesen? „Ich würde dir so gern glauben.“ Ob es half, wenn sie sich seine Worte im Stillen immer wieder selbst aufsagte? Würde sie sie dann irgendwann glauben? „James, ich bin dankbar, dass ich diese leidenschaftliche Nacht mit dir teilen durfte. Es war wunderbar. Und weißt du was? Leidenschaft fühlt sich für mich richtig an. Mir bleibt keine andere Wahl, als mein Verlangen zu unterdrücken und es vor der Welt zu verbergen, aber mir selbst gegenüber sollte ich das nicht tun. Es ist ein wichtiger Teil von mir.“
„Ein unglaublich reizvoller Teil“, sagte er voller Inbrunst und wollte sie an sich ziehen.
Pompeia wich jedoch zurück. Sie durfte nicht zulassen, dass er glaubte, seinen Ehrvorstellungen Genüge tun zu müssen, wo er lediglich von fleischlicher Lust getrieben wurde. „Es ist lieb von dir, das zu sagen, aber ich werde nicht erlauben, dass du eine Ehe eingehst, die du nicht willst. Du kennst mich kaum, und du liebst mich nicht und …“
Hufgeklapper und das Rumpeln von Rädern kündigte eine herannahende Kutsche an. Pompeia verstummte abrupt, und James beobachtete, wie mit einem Mal sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht wich. Offenbar hatte sie die Chaise erkannt, die von der Straße auf die Auffahrt einbog.
Er ebenfalls. „Da kommt Mrs Bailiwick. Ich nehme an, sie hat gehört, dass Großmutter zu Besuch ist, und will ihr die Aufwartung machen.“
Pompeia packte einen seiner Arme. „Aber was um alles in der Welt sollen wir jetzt tun? Ach verflixt, ich wünschte, ich wäre gestern aufgebrochen …“
Wenigstens berührte sie ihn wieder. „Keine Sorge. Die Kutsche braucht eine Weile, bis sie beim Haus eintrifft. Wenn wir uns
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