0433 - Zeitbombe London
Auch mich hatte Magico kalt erwischt.
Auf dem Flug von Paris nach London war er plötzlich in der Maschine erschienen, hatte einen Menschen getötet, die anderen in einen tiefen Schlaf versetzt und mich aus dem fliegenden Jet entführt.
Er hätte mich töten können, denn ich war machtlos gegen ihn, aber er hatte etwas viel Schlimmeres mit mir vor. Ich sollte im Mahlstrom zwischen Zeit und Raum für immer verschollen bleiben.
Mit mir war der Anfang gemacht worden, andere sollten folgen, meine Freunde, meine Bekannten. Dann würde sich Magico der anderen Menschen annehmen und ihnen seine dämonische Urzeitknute aufzwingen.
So sah es jedenfalls sein Plan vor. Mein Schicksal lag in den Händen meiner Feinde.
Läßt man einen Menschen ohne Schutz im All, erstickt er sehr schnell.
Ich aber konnte atmen, denken und fühlen, also befand ich mich nicht irgendwo zwischen den Sternen, sondern in einem anderen Raum oder einer anderen Zeit.
Verschollen zwischen den Zeiten! So hatte man es mir gesagt, und das war eingetreten.
Seltsam. Ich hatte mich zwar mit der Lage nicht abgefunden, aber irgendwann gibt es einen Punkt, wo der Mensch beginnt, sich an sein Umfeld zu gewöhnen.
Mir erging es ebenso.
Meinen Körper spürte ich nicht. Er schien ohne Schmerz in unzählige Atome zerrissen worden zu sein, so daß ich wie ein Zelt durch die Leere der Dimensionen trieb.
Wohin?
Gab es hier überhaupt Ziele? Möglich, aber ich würde auf keines treffen, wenn sich das bestätigte, was mir Magico zu verstehen gegeben hatte.
Mit mir hatte er praktisch einen Rollentausch vorgenommen. Er hatte sich nach London begeben, während ich in seine Welt hineingetaucht war, wo sich Vergangenheit und Zukunft überschnitten.
In dieser Ebene spielte der Körper keine Rolle mehr, auch wenn er vorhanden war. Hier gab es eine Durchlässigkeit, und man war als Körper oder Person ebenso schnell wie ein Gedanke.
Der traf auch mich.
Ein fremder Gedanke, ein tastender Pfeil, der mich erreichte und gleichzeitig verunsicherte. Eine Strahlung, eine Welle, aber etwas, das ich verstehen konnte.
›Wer bist du?‹
Ein anderer hatte mich gespürt, gesucht, vielleicht jetzt gefunden, und er wollte eine Antwort haben. In einer solchen Lage spielt es keine Rolle, ob der andere ein Freund oder Feind ist. Mir kam es darauf an, den Kontakt aufrechtzuerhalten und nicht mehr so allein zu sein.
Deshalb gab ich die Antwort. Ich dachte intensiv nach und formulierte sie rein gedanklich.
›Ein Mensch.‹
›Ja.‹
Ich jubelte innerlich, denn dieser Mensch redete gedanklich in meiner Sprache. So stellte ich die nächste Frage und hoffte auf Antwort. ›Hast du auch einen Namen?‹
›Den gibt es.‹
›Wie heißt du?‹
Voller Spannung wartete ich auf die Antwort. In der Lage, in der ich mich befand, greift man nach jedem Strohhalm. Aber die Erwiderung, die mir auf telepathischem Wege übermittelt wurde, traf mich wie ein unglaublicher, wenn auch freudiger Schock. ›Ich heiße Kara.‹
***
Auch in dem Gebäude, das wie ein breiter Klotz in den dunklen Himmel stach, waren die Fenster erleuchtet. Hier an der Victoria Street arbeitete man rund um die Uhr. Scotland Yard war immer besetzt, die Beamten present, und auch Suko befand sich in seinem Büro, um einen unmittelbaren Kontakt zu seinem Chef, Sir James, halten zu können.
Mit einem schlechten Gewissen war er von zu Hause weggefahren und hatte Shao alleingelassen. Denn auch mit ihr hatte sich der neue Feind Magico in Verbindung gesetzt, und er hatte mit der Stimme gesprochen, die Jane Collins gehörte.
Sie und Magico mußten miteinander in Verbindung stehen. Noch wußte Suko nicht, wer Magico genau war, wie er aussah, aber es war ihm gelungen, John aus einem fliegenden Flugzeug zu entführen. Wer so etwas schaffte, mußte in der Hierarchie weit oben stehen. Ein kleiner Dämon brachte so etwas nicht zustande.
Magico war wie ein Mal, daß sich in die Hirne der Beteiligten eingebrannt hatte. Alles drehte sich um diesen Namen, dabei gab es noch einen anderen, der wahrscheinlich alles in Szene gesetzt hatte.
Vincent van Akkeren!
Schon vor einiger Zeit war es ihm gelungen, Jane Collins zu entführen.
Mitten in London hatte er sie aus einer alten Templerkirche herausgeholt, ohne daß Suko und John Sinclair etwas dagegen hatten unternehmen können.
Und es war ihnen bisher nicht gelungen, van Akkerens Aufenthaltsort herauszufinden. Wenn sie das schafften, war der Weg zu Magico sicherlich nicht weit.
Aber
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