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Hoellenengel

Hoellenengel

Titel: Hoellenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thráinn Bertelsson
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auf dem Rückweg meistens
beeilt, nach Hause zu kommen, statt zu bummeln. »Ich hatte
dich etwas über diesen Karl Viktor gefragt.«
    »Tja, es ist nicht gerade viel, was ich über ihn
weiß, abgesehen von dem, was ich dir schon erzählt
habe«, sagte Terje. »Er ist um die dreißig und
wohnt mit seiner Mutter in Steinkross. Die Mutter heißt Edda
und ist Deutsche oder Österreicherin. Sie ist vor sehr langer
Zeit eingewandert und leitet einen Pferdebetrieb. Sie reitet Pferde
ein, gibt Reitunterricht und veranstaltet Reittouren, und dann hat
sie früher wohl Reiterferien für Kinder angeboten, aber
soweit ich es verstanden habe, macht sie das nicht
mehr.«
    »Sind sie nur zu zweit dort, also Mutter und
Sohn?«
    »Alles, was ich weiß, stammt von der Polizei in
Hvolsvöllur. Die haben mir gesagt, dass es sehr
unterschiedlich sei, wie viele Leute sich auf dem Hof aufhielten.
Manchmal wimmelt es dort von Menschen, Mädchen mit Pferdetick,
die aus Deutschland kommen, um hier zu reiten, und dann Bereiter
und so weiter, aber manchmal sind sie auch nur zu zweit. Der
Polizist, mit dem ich gesprochen habe, meinte, im Moment sei dort
niemand außer den beiden. Die pferdebegeisterte Tochter ist
vor einigen Jahren ausgezogen und seitdem ist der Betrieb wohl ein
wenig erlahmt. In der Pferdebranche gibt es natürlich wie in
anderen Branchen gute und weniger gute Phasen.«
    »Wenn diese Edda da allein mit ihren Kindern wohnt, wo ist
dann der Vater?«
    »Er ist gestorben. Er war wohl auch Deutscher oder
Österreicher. Hieß August. Ist vor mehr als zwanzig
Jahren in einem der beiden Rangá-Flüsse ertrunken. Ich
weiß nie, welche die Eystri-Rangá und welche die
YtriRangá ist.«
    »Ytri-Rangá ist näher bei uns, also westlicher.
Das ist der Fluss, der durch Hella fließt.
Eystri-Rangá ist östlicher, ganz in der Nähe von
Hvolsvöllur. Ich verstehe nicht, wie man die verwechseln
kann.«
    »Nein, das verstehe ich auch nicht«, sagte
Terje.
    Da begann ein Mobiltelefon zu klingeln.
    »Das muss dein Telefon sein«, sagte Terje.
    Dagný nahm ab und Terje hörte dem Gespräch mit
Interesse zu.
    »Ja, hallo. Stimmt etwas nicht? Nein, was sagst du
da?
    Und wann? Wie ist das passiert? In einem Krankenwagen?
Wahrscheinlich gebrochen? Ach du je. Ich bin bei der Arbeit. Ich
bin mitten auf der Hellisheiði, Fahrtrichtung Osten. Seine Oma
wollte ihn abholen. Die Frage, ob sein Papa nicht kommen kann? Das
Telefon ist ausgeschaltet? Oha. Dann muss ich es natürlich
versuchen.
    In etwa einer halben Stunde, höchstens Dreiviertelstunde. In
der Ambulanz. Ja.«
    Als das Gespräch beendet war, blickte Dagný mit
finsterer Miene zur Windschutzscheibe hinaus. Sagte dann: »Es
tut mir leid, aber ich muss dich wohl bitten, umzudrehen. Das war
die Kindergartenleiterin. Mein Sohn ist von einem
Klettergerüst gefallen und musste in die Notaufnahme gebracht
werden. Sie glauben, dass er sich das Bein gebrochen hat. Ich
hätte gewünscht, dass sein Vater hinfahren kann, aber
sein Telefon ist ausgeschaltet. Wärst du so lieb, umzudrehen
und mich schnell ins Krankenhaus zu fahren?«
  
     
    »Wenn es weiter nichts ist«, sagte Terje und
erhöhte die Geschwindigkeit auf einhundertvierzig.
    »Jetzt! Ich bin in Eile«, sagte
Dagný.
    »Wir sind in weniger als einer halben Stunde da«, sagte
Terje.
    Plötzlich wurde Dagný klar, dass sie sich bereits in
die richtige Richtung bewegten, nämlich nach Reykjavík.
Terje musste gewendet haben, als sie noch telefonierte.
    Er hat verborgene Qualitäten, dachte sie, und dann spürte
sie einen Angstknoten im Bauch, als sie daran dachte, dass ihr
kleiner Sohn umringt von fremden Menschen mit einem gebrochenen
Bein und Schmerzen in der Notaufnahme lag.
    *****
    Víkingur fühlte sich nicht wie im Urlaub, sondern als
hätte er aufgehört zu arbeiten. Aufgehört, sich
für irgendetwas in der Welt zu interessieren. Als hätte
er mit allem aufgehört, außer zu atmen. Er versuchte,
auch mit dem Atmen aufzuhören. Schaffte es nicht. Er
versuchte, sich vorzustellen, er sei eine Pflanze irgendwo droben
in den Bergen. Angelika. Oder Sauerampfer. Wenn Sauerampfer
überhaupt in den Bergen wächst. Es ging nicht.
    Dann versuchte er sich auszumalen, er sei ein Stein, der aus den
Bergen herunter aufs Flachland gerollt war. Das ging besser. Ein
schwerer Stein, der atmet.
    »Und, wie geht es dir heute?«, fragte Randver, nachdem
sie sich begrüßt hatten. »Irgendwelche
Neuigkeiten?«
    »Ganz gut«, antwortete Víkingur. »Wie
sieht es bei

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