Kunden aus der Hölle
Vorwort
Im täglichen Leben gibt es zwei Personengruppen, die unweigerlich aufeinandertreffen und durch eine über Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende gewachsene Zwangspartnerschaft geeint wie gespalten werden. Die Rede ist von Kunden und Dienstleistern. Egal ob Ladentheke oder Internetshop, es klafft offensichtlich eine schier unüberwindbare Kluft zwischen beiden Lagern, die oft nur unter Einsatz größten Feingefühls aufseiten der Dienstleister zu meistern ist. Es ist eine schwierige Beziehung, voll von Missverständnissen, Kompromissen – und verdammt witzigen Situationen.
Heute, da viel über das Telefon und Internet, also ohne den direkten Kontakt, geregelt wird, gibt es zusätzliche Stolperfallen, die in der persönlichen Begegnung geschickt umgangen werden könnten. Aber auch nicht immer, wie wir aus Erfahrung wissen. Dennoch, die virtuelle Kommunikation zwischen den Parteien macht das Ganze nicht gerade einfacher. Eine fehlinterpretierte E-Mail, ein falsches Wort während eines Telefonats oder auch nur der unpassende Moment des Anrufs, und der mittelgroße Skandal ist so gut wie vorprogrammiert. Doch nicht nur hier lauern Gefahren. Wenn es sich bei einer gemeinsam zu erarbeitenden Ultima Ratio um einen komplexen Sachverhalt wie eine Webseite oder ein Druckprodukt handelt, gerät die Situation schnell außer Kontrolle, denn heute sind, dank Internet, angeblich alle Profis. Das stimmt so natürlich nicht, aber wie erklärt man das einem in Rage geratenen Kunden, der mithilfe von Google gerade irgendwo das Gegenteil dessen gelesen hat, was man ihm wortreich darzulegen versucht? Wie bietet man ein Produkt an, das wegen unzufriedener Kunden in einschlägigen Foren verrissen wird, auch wenn die User verdächtig nach Konkurrenz klingen? Und wie erklärt man einem Kunden, dass der Browser keine Brause ist, der Explorer kein Exploder und Photoshop weder Browser noch Explorer ist und schon gar nicht braust und explodiert? Alles schon vorgekommen. Wer täglich Kundenkontakt hat, weiß davon ein Lied zu singen und wird sicherlich bei der einen oder anderen Geschichte zustimmend mit dem Kopf nicken.
Als Mitarbeiter einer großen deutschen Werbeagentur bekomme ich tagtäglich hautnah mit, wie schwierig es sein kann, Kunden von einem guten Produkt zu überzeugen. Welcher Aufwand für den Dienstleister dahintersteckt, ist den meisten Leuten gar nicht klar. In der Werbung zählt mehr als in vielen anderen Branchen nämlich zunächst die Idee. Die Idee ist der entscheidende Faktor, ob eine Kampagne, ein Werbespot, eine Anzeige gut funktionieren oder sang- und klanglos in der Masse untergehen. Für diese »Goldideen« reiben sich ganze Teams, bestehend aus den kreativsten Köpfen der Branche, regelrecht auf. Man schiebt Nachtschicht um Nachtschicht, macht Skizzen und Moodboards, erdenkt ganze Welten und Szenarien, um am Ende alles zu verwerfen und von vorn zu beginnen. Nur um sicherzugehen, dass man bei der Präsentation für den Kunden auch wirklich die allerbeste Idee am Start hat. Das Schreiben von Kundenpräsentationen ist dabei zu einer Art Kunstform herangereift, in der jedes Wort auf alle erdenklichen Interpretationsmöglichkeiten hin geprüft und dreimal neu getextet wird. Der Kunde soll sofort die richtigen Bilder im Kopf haben und gar nicht erst die Chance bekommen, etwas falsch zu deuten. Wenn dieser langwierige und kräftezehrende Prozess dann in den Morgenstunden vor der Präsentation beendet ist, ist man zwar immer noch nicht wirklich zufrieden, weil man ständig das Gefühl hat, etwas übersehen zu haben, etwas noch besser texten zu können. Aber Termin ist Termin.
Und so macht sich ein kleines, längst koffeinresistentes Team aus Spezialisten auf, dem Kunden die Idee unter Aufbietung der letzten Kräftereserven, aber mit vollem Einsatz zu präsentieren. Als Belohnung für diesen Marathon sollte es dann im Idealfall einen glücklichen, überzeugten Kunden und somit die Erteilung des Auftrags geben. Doch manchmal kommt zwei Wochen später auch einfach nur eine E-Mail: »Hat uns nicht überzeugt.«
Genau solche ernüchternden Situationen und die Tatsache, dass es weltweit nur wenige und in Deutschland gleich gar keine Blogs zum Thema Kunden vs. Dienstleister gab, veranlassten mich dazu, den Blog »Kunden aus der Hölle« und später auch die dazugehörige Facebook-Gruppe zu gründen. Anfangs als Ventil zur Verarbeitung selbst erlebter Traumata erdacht, wuchs das Interesse der geneigten Leserschaft rapide.
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