Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
Weisung Gottes nie in Frage gestellt. Nun aber geschah etwas Unglaubliches – etwas, das noch nie zuvor geschehen war: Ein Drittel der Engel verneigte sich nicht! Sie waren unsicher und wussten nicht, was sie tun sollten. Einerseits liebten sie Gott und wollten seinem Befehl gehorchen. Anderseits aber war ihre Liebe zu Gott so groß und allumfassend, dass es ihnen unmöglich schien, sich vor jemand anderem zu verneigen, als vor Gott. Sie liebten Gott viel zu sehr, als dass sie jemand anderen mit der gleichen Ehrerbietung hätten behandeln können, die sie ihm entgegenbrachten.
    Unter diesen Engeln gab es einen, den man Samael nannte. Er war jener Engel, den Gott am liebsten hatte. Er gehörte der obersten Engelskaste – den Seraphim – an und er sprach zu Gott: „Herr, wie kann dieser Mensch nach deinem Ebenbild erschaffen worden sein? Er ist nur aus Lehm gemacht. Selbst wir Engel sind aus Feuer und für die Ewigkeit erschaffen worden. Wir können uns doch nicht vor etwas verneigen, dass so weit von deiner erhabenen Vollkommenheit entfernt ist.“
    „Samael “, sprach Gott. „Dieser Mensch ist fürwahr nach meinem Ebenbild erschaffen worden. Doch nicht, was seine äußere Gestalt betrifft. Es ist seine Seele, die der meinen ähnelt. Er kann eigene Entscheidungen treffen und ist nicht von mir abhängig, so wie ihr Engel. Damit ich mir der Seele der Menschen aber sicher sein kann und weiß, dass sie sich für mich entschieden haben, lasse ich sie nicht bei mir im Himmel wohnen. Ich schicke sie für die Zeitspanne, die ihr Körper lebt, auf die Erde, die ich für sie erschaffen habe. Dort können sie durch ihr Leben beweisen, dass sie nach meinen Geboten leben, so wie die gute Seite ihrer Seele es ihnen eingibt. Wenn sie dann ihre Körper verlassen, können ihre Seelen zu mir in den Himmel kommen.“
    „Aber was geschieht mit jenen, die sich dafür entscheiden, sich gegen dich zu stellen?“, fragte Samael. „Was geschieht mit jenen Seelen, die sich von dir abgewandt haben?“
    „Die verbleiben auf der Erde bis zum Tag des Jüngsten Gerichts, wenn ich komme um über sie zu richten!“, erwiderte Gott.
    „Aber was sollte es auf der Erde geben, das die Menschen in Versuchung führen könnte?“, setzte Samael wieder an. „Herr, du hast eine vollkommene Welt erschaffen. Es gibt dort nichts, was die Seelen der Menschen verführen könnte, vom rechten Weg abzukommen.“
    „Es wird dich und die Deinen geben!“, erwiderte Gott. „Ihr werdet die Seelen der Menschen in Versuchung führen und ihnen die dunkle Seite ihres Wesens zeigen!“
    Und mit diesen Worten tat sich der Himmel auf und Samael und die Engel, die sich auf seine Seite gestellt und Gottes Befehl aus tiefster Liebe zu ihm verweigert hatten, stürzten hinab. Hinab auf Gottes Schöpfung, die ihr Menschen Erde nennt, und die doch in Wahrheit die Hölle ist!“
    „Die Hölle?“, Eleanor atmete schaudernd tief ein. „Du sagst die Welt und die Hölle sind eins?“
    „Aber ja“, erwiderte Raphael. „Ein Engel würde sich nie freiwillig von Gott entfernen, weil die Nähe zu Gott ein so allumfassendes Glücksgefühl erzeugt, dass man es niemals mehr missen will. Auf die Erde verbannt zu werden ist daher die härteste aller denkbaren Strafen – die Hölle. Aus demselben Grund kommen Engel auch nur auf die Erde, wenn sie ausdrücklich von Gott dorthin gesandt wurden. Nach Erfüllung ihres Auftrages kehren sie unmittelbar zurück.
    Da das Glücksgefühl in Gegenwart Gottes so allumfassend ist, können Engel niemanden außer Gott lieben. Die Notwendigkeit hierzu besteht einfach nicht. Menschen entwickeln Liebe einfach deshalb, weil ihre Seelen nach einem Ersatz für jenes Glücksgefühl suchen, welches sie verloren haben, nachdem Gott ihre Seelen auf die Erde entsandt hat und sie nun nicht mehr in Gottes Nähe sind.“
    „Du hast damals auf Samaels Seite gestanden!“, flüsterte Eleanor. „Nur darum bist du hier.“
    „Ja “, hauchte Raphael tonlos. „Und ich wünsche seitdem jeden Tag, dass ich damals die Kraft gehabt hätte, auf die Knie zu fallen.“
    „Es war nicht deine Schuld. Du konntest nicht anders.“
    Raphael erwiderte nichts. Seine Lippen waren fest zusammengepresst, sein Blick ging leer auf den finsteren Ozean hinaus, der sich bis zum Horizont erstreckte. Das Licht in seinem Inneren flackerte dunkel und unruhig.
    „Was hat es mit diesem Palast auf sich?“, fragte Eleanor schließlich leise.
    Raphael atmete tief durch. „Dieser Ort

Weitere Kostenlose Bücher