Höllenflut
und
in Princess Dou Wan umgetauft worden. Nach einer Umrüstung
war sie als Passagier- und Frachtschiff im gesamten
südostasiatischen Raum eingesetzt worden.
Im Zweiten Weltkrieg war sie von der australischen
Regierung beschlagnahmt und zum Truppentransporter
umgebaut worden. Im Konvoidienst durch japanische
Luftangriffe schwer beschädigt, war sie nach dem Krieg an die
Canton Lines zurückgegeben worden. Eine Zeitlang war sie im
Kurzstreckeneinsatz zwischen Schanghai und Hongkong
verkehrt, bis sie im Frühjahr 1948 an ein Abwrackunternehmen
in Singapur verkauft worden war, Sie verfügte über
fünfundfünfzig Kabinenplätze für Passagiere der ersten Klasse,
fünfundachtzig Unterkünfte in der zweiten und
dreihundertsiebzig in der dritten Klasse. Normalerweise zählte
die Besatzung hundertneunzig Mann, doch auf dieser Fahrt, die
ihre letzte sein sollte, waren lediglich achtunddreißig Seeleute
an Bord, Für Hunt war sein altes Schiff eine winzige Insel
inmitten einer stürmischen See, in einen Kampf verstrickt, von
dem niemand Notiz nahm. Sein Schicksal kümmerte ihn nicht.
Er war bereit für den letzten Landgang, und die Princess gehörte
längst ins Abwrackdock. Hunt hatte regelrecht Mitleid mit
seinem schlachterprobten Schiff, das sich wacker gegen den
wütenden Sturm stemmte. Die Princess krängte und ächzte,
wenn die mächtigen Sturzseen über sie hinwegspülten, aber sie
richtete sich immer wieder auf und rammte den Bug in die
nächste Woge hinein. Hunts einziger Trost war, daß ihre
ausgeleierten alten Maschinen bislang noch keinen Takt
ausgesetzt hatten.
Drunten im Maschinenraum war das Knacken und Ächzen im
Rumpf viel lauter - ungewöhnlich laut. Rostflocken lösten sich
von den Schotten und segelten herunter, und das eingedrungene
Wasser sickerte bereits durch die Gitterroste der Laufgänge.
Nieten, welche die Stahlplatten zusammengehalten hatten,
platzten ab und schossen durch die Luft. Normalerweise ließ
sich die Besatzung dadurch nicht aus der Ruhe bringen, denn auf
Schiffen, die zu einer Zeit gebaut worden waren, als auf den
Werften noch nicht geschweißt wurde, war das etwas
Alltägliches. Ein Mann jedoch bekam es mit der Angst zu tun.
Chefmaschinist Ian »Hongkong« Gallagher, ein trinkfester,
breitschultriger Ire mit rotem Gesicht und mächtigern
Schnurrbart, wußte die Zeichen zu deuten, und ihm war klar,
daß das Schiff jeden Moment auseinanderbrechen konnte. Doch
er verdrängte seine Angst und dachte in aller Ruhe darüber nach,
wie er überleben könnte.
Ian Gallagher war als elfjähriger Waisenknabe dem
Elendsviertel von Belfast entronnen und als Schiffsjunge zur
See gefahren. Weil er eine besondere Begabung im Umgang mit
Dampfmaschinen zeigte, wurde er zunächst zum Putzen und
Abschmieren eingesetzt und schließlich zum dritten
Hilfsmaschinisten ernannt. Mit siebenundzwanzig besaß er ein
Patent als Chefmaschinist und fuhr auf allerlei Trampschiffen,
die zwischen den Inseln des Südpazifik verkehrten. Den
Beinamen »Hongkong« hatte er bekommen, nachdem er sich in
einer Kneipe der gleichnamigen Hafenstadt eine sehenswerte
Schlägerei mit acht chinesischen Schauermännern geliefert
hatte, die ihn aufmischen wollten. Im Sommer 1945, als er
dreißig geworden war, hatte er auf der Princess Dou Wan angeheuert.
Mit grimmiger Miene wandte sich Gallagher an Chu Wen,
den Zweiten Maschinisten. »Geh nach oben, zieh dir 'ne
Schwimmweste an und halt dich bereit, wenn der Kapitän den
Befehl zum Verlassen des Schiffes gibt.«
Der chinesische Maschinist nahm den Zigarrenstumpen aus
dem Mund und schaute Gallagher prüfend an. »Du meinst, wir
gehen unter?«
»Ich weiß, daß wir untergehen«, erwiderte Gallagher
entschieden. »Der alte Rostkübel steht das keine Stunde mehr
durch.«
»Hast du dem Kapitän Bescheid gesagt?«
»Der müßte ja blind und taub sein, wenn er da nicht von
selber draufkommt.«
»Also los, kommst du?« fragte Chu Wen.
»Gleich«, antwortete Gallagher.
Chu Wen wischte die öligen Hände an einem Lappen ab,
nickte dem Chefmaschinisten zu und stieg über eine Leiter zu
einer Luke empor, die auf die Oberdecks führte.
Gallagher warf einen letzten Blick auf seine geliebten
Maschinen, die seiner Überzeugung nach schon bald in der
Tiefe versinken würden. Er zuckte zusammen, als ein
ungewöhnlich lautes und schrilles Ächzen durch den Rumpf
hallte. Die stählernen Bauteile der betagten Princess Dou Wan gaben nach - eine Folge der
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