Zum Teufel mit David!: Roman (German Edition)
Kapitel 1
P olly war überzeugt, daß es auch nichts half, sich ein bißchen Mut anzutrinken, und strich verzagt mit den Fingerspitzen über ihr Wasserglas. Es würde ein gräßlicher Abend werden.
Melissa hatte angekündigt, dafür sterben zu wollen, wenn sie Polly mit einem ganz bestimmten Mann bekannt machen könnte, und sie gleich, nachdem sie den Rem betreten hatte, diskret auf ihn aufmerksam gemacht. Polly beäugte ihn aus den Augenwinkeln, und im Grunde hätte sie Melissa nun ohne Umschweife den Kopf zurechtsetzen müssen. Es bestand für sie nicht die geringste Chance, sich je mit diesem Mann schmücken zu können. Er war zu groß, zu gut gekleidet und durch und durch erwachsen.
Polly war sich bewußt, daß ihr frischgewaschenes, ungewöhnlich arrangiertes Haar nur mühsam der Schwerkraft trotzte und wünschte, sie hätte sich die Zeit genommen, es schneiden zu lassen. Ein Kämmchen war bereits in ihren Ausschnitt gerutscht. Ihre großen grünbraunen Augen waren das Beste an ihr, da sie aber normalerweise eine Anhängerin unverfälschter Mimik war, sahen Kajalstrich und Wimperntusche bei ihr aus wie mit ziemlich schwerer Hand aufgetragen. Das Resultat: lässiger Sexappeal, zwar zu ihrer üppigen Figur und dem kurzen, hautengen Samtkleid passend, aber nicht zu ihrer partymüden Mauerblümchenlaune. Melissas Wundermann würde nur einen Blick auf Polly werfen und die Beine in die Hand nehmen.
Melissa hatte sie zudem unter falschen Voraussetzungen hergelockt. Dies war beileibe kein »gemütlicher Abend mit ein paar Freunden« – mindestens zehn vornehme Paare hatten sich zu diesem luxuriösen gesellschaftlichen Ereignis versammelt. Und wenn man von einem Mädchen bedient wurde – wenn auch von einem kleinen –, dessen weißes Häubchen ständig über seine Augen rutschte und dessen Englisch eher bruchstückhaft als gebrochen war, dann konnte man eine solche Gelegenheit nur als formell bezeichnen. Melissa verdiente es wirklich, daß ihre Kuppelei fehlschlug.
Polly versuchte, Anteil an den Problemen der Frau zu nehmen, die ihr gegenüber saß. Die Ärmste hatte Schwierigkeiten, ihr Kind im richtigen Kindergarten unterzubringen. Sie wirkte umwerfend elegant. Ihr Bouclékostüm hatte die klaren Linien und dezenten Knöpfe, die es, wie selbst Polly wußte, als Designerware auszeichneten. Ihr klotziger Goldschmuck hätte durchaus von Butler and Wilson oder Cartier stammen können, jedes Stück perfekt plaziert und aufeinander abgestimmt. Und jedes schimmernde, mit Packungen und Spülung gepflegte, dunkelbraune Haar auf ihrem Kopf war untadelig gewellt und lag so, wie es von ihm erwartet wurde. Das Make-up blieb unauffällig, aber effektiv – die Frau hatte einfach Stil.
Dennoch offenbarte sie eine geradezu rührende Verletzlichkeit, als sie über ihre Kinder sprach. Wenn man ihr Glauben schenken durfte, dann war Kindererziehung eine hochtechnische, äußerst pannenanfällige Angelegenheit. Praktisch in jedem Stadium konnte die Sache grauenvoll und unwiderruflich schiefgehen.
Es genügte nicht, sie zu lieben, sie warm zu halten, sie zu ernähren und später in eine örtliche Schule zu schicken. Diese primitive Methode war völlig out. Jeder Sprößling, der nicht ein absolutes Genie war, würde bei einer derartigen Behandlung unweigerlich im urzeitlichen Schlamm steckenbleiben und nie Zugang zu einem der angesehenen Berufsstände erhalten. Nein, wenn man heutzutage ein Baby bekam, mußte man in jeder Phase den Spezialisten konsultieren, angefangen vom vorschwangerschaftlichen Diätberater bis zu dem Pauker, der den Nachkömmling in das richtige Oxforder College bugsierte. Ohne diese Expertenhilfe konnte man das Ganze von vornherein vergessen. Der falsche Gynäkologe, ein ungeschickter Anästhesist oder die verkehrte Kindermädchenagentur, und der kleine Sohn und Erbe würde nie sein volles Potential ausschöpfen können. Wenn es dann noch darum ging, die passende Schule zu finden, na ja ...
Polly stieß ein kurzes Dankgebet aus, daß sie es bis jetzt geschafft hatte, sich mütterliche Instinkte zu verkneifen. Sie hätte nicht das Zeug dazu, sich die Unterstützung all dieser fabelhaften Spezialisten zu sichern, könnte sich solche Leute gar nicht leisten und wäre vermutlich nicht einmal in der Lage, sich durch die endlose Namensliste zu quälen.
Oh, warum hatte sie Melissa nicht einfach erklärt, daß sie krank wäre und nicht zu dieser schrecklichen Dinnerparty käme? Weil sie wußte, daß Melissa sie
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