Hollywood & Buecherwurm
Weg zum Vorgarten entlang. Als er um die Hausecke bog, drehte er sich noch einmal um, zwinkerte ihr zu und sagte: „Ich zähle die Minuten.“
„Da bist du ja, wir dachten schon, du und Dylan wärt im Pavillon angewurzelt“, grinste Sophie, als ihre Enkelin ins Wohnzimmer kam. Sie saß in ihrem Lesesessel an dem Fenster, das hinaus in den Vorgarten zeigte und hatte „In unserer Zeit“ von Ernest Hemingway auf dem Schoß liegen, eines ihrer Lieblingsbücher. „Möchtest du dich noch frisch machen, bevor wir hinüber zu Ava gehen?“
„Grandma, ich muss dieses Mal passen, Dylan hat mich gefragt, ob wir ins Kino gehen und in der Stadt etwas essen!“
Sophie begann breiter zu grinsen. „Na sieh mal einer an, du hast also eine Verabredung mit Dylan. Er ist nett, nicht wahr?“
„Ja, er ist nett. Aber ich würde es nicht Verabredung nennen. Wir gehen nur ins Kino!“
„Taylor, du bist zweiunddreißig Jahre alt, du SOLLTEST es Verabredung nennen. In deinem Alter war ich bereits elf Jahre mit Großvater verheiratet!“
„Die Zeiten ändern sich“, Taylor war noch nicht einmal genervt davon, dass ihre Großmutter das Hochzeitsthema wieder angeschnitten hatte. „Bitte entschuldige mich bei Mrs. Knight“, sagte sie dann, bevor hinaus in die Vorhalle und in den ersten Stock ging, um sich für ihre Verabredung zurecht zu machen.
3
Taylor Willows hatte seit neun Jahren keine Verabredung mehr gehabt. Natürlich war sie nicht die ganze Zeit über in ihrem Appartement gesessen und hatte Däumchen gedrehte, aber die letzte richtige Verabredung mit einem Mann, ein Date, hatte sie zum letzten Mal vor neun Jahren gehabt, als sie ihren Exfreund Dave kennen lernte. Dave war Juniorpartner eines Kunden, den die Firma, für die sie damals noch arbeitete, betreute und er war hin und wieder zu Meetings gekommen. Eines Tages hatte er sie in einer Pause gefragt, wo sie eigentlich anzutreffen sei, wenn sie nicht gerade Werbekonzepte für Kunden wie seinen Arbeitgeber entwarf, und sie hatten sich zum essen verabredet. Dave war eigentlich nicht das gewesen, was Taylor sich unter ihrem Traummann vorgestellt hatte Er wirkte zwar nett, aber er hatte irgendetwas an sich, das ihn nicht, so wie man es sich von seinem Traummann erhoffte, von der Masse abhob. Wenn Taylor jetzt an die vergangenen neun Jahre zurück dachte, fragte sie sich oft, warum sie sich damals hatte hinreißen lassen, mit Dave eine Beziehung einzugehen. Sie war schon immer der Meinung gewesen, dass der erste Eindruck, den man von jemandem hatte, entscheidend war, und der erste Eindruck, den sie von Dave hatte, war „Langweiler“ gewesen. Weil sie nicht unhöflich sein wollte, und weil sie sich gesagt hatte, dass es sich ja „nur um ein Essen“ handelte, hatte sie seiner Einladung damals zugesagt und irgendwie war mehr daraus geworden. Vielleicht auch nur, weil Taylor zu diesem Zeitpunkt schon eine ganze Weile Single gewesen war und es satt hatte, die Abende alleine zuhause zu verbringen, oder immer wieder das fünfte Rad am Wagen zu sein, wenn sie mit ihren Freundinnen und deren Freunden ausging. Mit der Zeit schliesslich hatte Dave sein wahres Gesicht gezeigt. Hatte er sich anfangs noch versucht, aktiv und unternehmungslustig zu zeigen, so erkannte Taylor bald, dass es Daves Lieblingsbeschäftigung war, tagsüber vorm Computer zu sitzen und sich in Chatrooms aufzuhalten, oder aber, an seinem alten Hot Rod, den er nie fertig bekommen würde, herumzuschrauben. Dave wollte nicht in Urlaub fahren und Dave wollte nicht ins Kino gehen. An Sonntagnachmittagen einen Spaziergang zu machen, fand Dave langweilig und albern, und Taylors Bücher rührte er nie an, weil er „aus Prinzip keine Bücher las“. Manchmal, wenn Taylor mit ihm sprach, war er abwesend und hörte ihr noch nicht einmal zu, wenn sie an etwas Freude hatte und diese mit ihm teilen wollte, wirkte er genervt und gelangweilt. Dave war niemand gewesen, der sich verstellen konnte, zumindest machte er sich nicht die Mühe, Taylor gegenüber interessiert zu wirken.
Im letzten Jahr ihrer Beziehung hatte Dave angefangen, Aggressionen gegen Taylor zu hegen und sie zu betrügen. Scheinbar hatte er trotz seines langweiligen Wesens einige Frauen auf sich aufmerksam machen können (was wohl an seinem Geld und an seinem Aussehen lag, er war mittlerweile Seniorpartner seines Unternehmens geworden und hässlich war er auch nicht). Die Trennung kam eigentlich ganz plötzlich und Taylor hätte nicht damit
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