Honor Harrington 12. Die Raumkadettin von Sphinx
sowohl Honor als auch ihre Kameraden hatte es – gelinde gesagt – sehr überrascht zu erfahren, dass der Kommandant seine Offiziere zum Abendessen einzuladen pflegte. Überrascht vor allem, weil die War Maiden beinahe fünfunddreißig Standardjahre alt und darum verhältnismäßig klein war. Das Quartier des Kommandanten mochte unbestreitbar größer und weit bequemer eingerichtet sein als das Kakerlakennest, doch im Vergleich mit den Kommandantenkajüten neuerer, größerer Schiffe erschien es eng und schlicht, und der Salon war schon für ein halbes Dutzend Gäste eigentlich zu eng. Aus diesem Grund konnte Bachfisch nie alle Offiziere auf einmal zum Dinner einladen, doch offenbar wechselte er turnusmäßig die Gästeliste, und der Reihe nach speiste jeder einmal mit ihm.
Das war beispiellos – nein, nicht ganz. Captain Courvosier, an der Akademie Honors Lieblingsdozent, hatte einmal gesagt, ein kluger Kommandant lerne seine Offiziere so gut wie möglich kennen – und habe dafür zu sorgen, dass sie ihn kannten. Honor fragte sich, ob wohl dieser Gedanke hinter Captain Bachfischs Einladungen stehe. Was auch immer der Kommandant beabsichtigte: Sich auf der Gästeliste wiederzufinden, und erst recht so rasch nach dem Aufbruch, flößte jedem Kakerlak eine Heidenangst ein.
Nachdem der Steward des Kommandanten die Luke geöffnet hatte, folgte Honor den vorgesetzten Offizieren in den Raum und blickte sich möglichst unauffällig um. Als Rangniedrigste auf der Gästeliste kam sie natürlich als Letzte, was nur wenig besser war als an der Spitze gehen zu müssen. Was für ein Glück, sie brauchte nicht als Erste durch die Luke zu treten! Nur hatte das zur Folge, dass alle anderen eingetreten, Platz genommen und sich ihr zugewandt hatten, während sie als Letzte in die Abteilung kam. Sie spürte, wie die Blicke der Vorgesetzten auf ihr hafteten, und fragte sich, ob es wirklich klug gewesen sei, Nimitz mitzubringen. Solange der ‘Kater nicht ausdrücklich von der Einladung ausgenommen wurde, deckten die Vorschriften zwar ihr Verhalten, aber trotzdem war ihr mit einem Mal unbehaglich; was, wenn die Vorgesetzten ihre Entscheidung für unpassend hielten? Und dann rief ihre Unsicherheit in ihr das Gefühl der Unbeholfenheit wach, als sei sie irgendwie wieder zu dem tölpelhaften, übergroßen Pferd geworden, für das sie sich immer gehalten hatte, bevor Chief MacDougal ihr Interesse am Coup de Vitesse geweckt hatte. Ihr Gesicht wollte erröten, doch Honor drängte ihre Unsicherheit mit aller Kraft und Strenge zurück. Dieser Abend versprach ohnedies, anstrengend genug zu werden, da brauchte sie sich nicht noch weitere Komplikationen auszudenken, die ihren Adrenalinspiegel in die Höhe trieben. Zumindest durfte sie dankbar sein: an diesem Dinner nahm Elvis Santino nicht teil. Midshipman Makira hatte die »Dinner-Tortur« bereits hinter sich – und hatte dabei Santinos Anwesenheit ertragen müssen.
Ihr niedriger Rang ließ keinen Raum für Zweifel, welcher Sitz für sie bestimmt war, und sie hätte der knappen Geste des Stewards nicht bedurft, mit der er sie an das untere Ende des Tisches verwies. Möglichst unauffällig nahm sie Platz, und Nimitz, der ebenso wie sie wusste, dass er Sonntagsmanieren zeigen musste, ließ sich sehr ordentlich auf der Rückenlehne ihres Stuhles nieder.
Der Steward machte die Runde um den Tisch. Mit einer von langer Übung zeugenden Anmut bewegte er sich durch die enge Kabine und schenkte Kaffee ein. Honor hatte dieses Getränk von je verschmäht, und sie legte die Hand über ihre Tasse, als der Steward sich ihr näherte. Der Mann bedachte sie mit einem spöttischen Blick, ging aber ohne Kommentar an ihr vorbei.
»Sie machen sich nichts aus Kaffee, hm?«
Der Lieutenant Senior-Grade zu ihrer linken hatte die Frage gestellt, und Honor sah in rasch an. Der braunhaarige, stupsnasige Offizier war etwa in Santinos Alter, allenfalls ein, zwei Jahre Unterschied. Im Gegensatz zu Santino wirkte sein Gesicht freundlich, und seine Stimme klang angenehm, keine Spur von dem überheblichen Hohn, um den der Ausbildungsoffizier sich anscheinend nicht eigens bemühen musste.
»Ich fürchte, nein, Sir«, gab sie zu.
»Das könnte einer Karriere in der Navy hinderlich sein«, sagte der Lieutenant fröhlich. Grinsend blickte er über den Tisch zu einem weiblichen Lieutenant Commander mit rundem Gesicht und dunklem Teint. »Manche von uns«, fuhr er fort, »scheinen nämlich zu glauben, dass die
Weitere Kostenlose Bücher