Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir
Grunde alles, was ich konnte.
Ich nahm das bisschen Cash, das ich hinter dem Lüftungsgitter in meiner Bruchbude versteckt hatte, und setzte mich in den nächsten Flieger nach Vegas.
Wieso ausgerechnet Vegas?
Kann ich auch diesmal nicht beantworten.
Vielleicht, weil mir der Name auf den Anzeigetafeln förmlich ins Gesicht sprang, als ich aus dem Taxi stürzte und in den Flughafen hetzte.
Oder weil das, was in Vegas passiert, in Vegas bleibt.
Und in Vegas geschah eine Menge.
*
Dort traf ich schließlich Dead Crow.
Meinen rothäutigen Obi-Wan.
Meinen verhurten Mr. Miyagi.
Wie er wirklich hieß?
Hat er mir nie gesagt.
Dabei war es ein Running Gag zwischen uns, dass ich ihn aus heiterem Himmel nach seinem richtigen Namen fragte.
Dead Crows Antwort war immer dieselbe.
Ein Indianer, der als Security-Chef in einem Laden wie dem Silver Bullet Casino arbeitet, braucht nun mal einen coolen Namen, pflegte er zu sagen, bevor er die nächste Runde Bier oder Whiskey oder beides ausgab.
Wir waren richtig dick miteinander.
Mehr als Lehrer und Schüler.
Viel mehr.
Echte Freunde.
Dabei hatten wir keinen guten Start gehabt.
Denn Dead Crow, der an der Laderampe hinter dem Casino eine rauchte, erwischte mich zunächst dabei, wie ich in einem der rostigen Müllcontainer des Ladens rumwühlte, in dem der Indianer den Sheriffstern trug.
Was?
Vegas ist eben nicht nett zu Leuten ohne Kohle.
Und bei Siegfried & Roy wollte ich nicht anheuern.
»Was suchst du da, Kid?«, fragte Dead Crow cool von der Rampe aus. »Siehst nämlich nicht wie jemand aus, der im Müll anderer Leute wühlen sollte. Also, tust du eigentlich schon. Du siehst sogar wie drei Mal gefickte Büffelscheiße aus. Aber dein Spirit. Der sieht aus, als könnte er zupacken. Wenn du verstehst, was ich meine.« Er schnippte seine Zigarette gekonnt in hohem Bogen von sich fort. »Interesse?«
Ich stand im Müllcontainer und hatte keine Ahnung, was da gerade geschah, geschweige denn, ob ich Interesse hatte.
Meine Aufmerksamkeit hatte er allerdings, während ich in der feuchten, stinkenden Masse aus Küchenabfällen und Touristen-Hinterlassenschaften nach meiner Zukunft suchte.
Er war aber auch ein echter Hingucker, dieser alte Indianer, der gar nicht so alt war, wie die Falten in seinem gegerbten Gesicht vermuten ließen.
Eine Nase wie ein Adlerschnabel.
Die Arme über und über tätowiert.
Lange, grau gesträhnte Haare bis zum Knochenkamm in der Gesäßtasche seiner Lederhose.
Trug immer ein dunkles Hemd und ein schwarzes Ledersakko.
Und ohne seine Cowboystiefel ging er nicht mal zum Pissen.
Ich nahm die Hand an, die er mir reichte.
Nahm den Job an und alles, was er mir noch bot.
Anleitung.
Kameradschaft.
Freundschaft.
Man musste diesen Verrückten einfach lieben.
Der holländische und englische Touris wie Sandsäcke behandelte, wenn sie deutlich über die Stränge schlugen und ihre Hände nicht aus den Höschen der Kellnerinnen nahmen.
Der viel und laut lachte.
Der mich nach Dienstende jeden Morgen an der Bar unter den Tisch soff und immer die heißesten Tänzerinnen am Start hatte, die neu in der Stadt waren.
Der noch weiter lachte und schäkerte und trank, wenn ich schon besinnungslos ins Bett fiel.
Außerdem hatte er immer den besten Stoff.
Ein Phänomen, der Mann.
Aber keine Angst.
Das wird jetzt keine Story über indianische Schwitzhütten, Totems und halluzinogene Drogen.
Gut, Letzteres vielleicht, wenn man’s drauf anlegt und die Sonnenaufgänge auf dem Dach des Casinos mitzählt, in deren Angesicht wir den Joint hin- und herwandern ließen, eine Flasche Whiskey zwischen uns, die den Morgen nicht überlebte.
Doch darum geht’s nicht.
Es geht um das, was Dead Crow mir beibrachte.
Über mich und die Bestie in mir.
*
»Du kannst den Wolf in dir kontrollieren, Kid«, sagte Dead Crow eines Morgens zu mir, während die Putzkolonne hinter uns die Kotze und die Träume der vergangenen Nacht wegwischte und wir unser flüssiges Frühstück zu uns nahmen.
War eine raue Nacht gewesen, mit mehr Spinnern als üblich, und einmal war ich kurz davor gewesen, die Kontrolle zu verlieren und dem Monster das Ruder zu überlassen.
Ich fragte Dead Crow nicht, woher er das mit dem Wolf wusste, und erst recht nicht, ob er jemandem davon erzählen würde.
Ich hatte das Biest in Vegas nicht ein einziges Mal aus Versehen von der Leine gelassen, nicht mal, als wir den ganzen Ärger mit den Triaden durchstehen mussten.
Verbrachte die Vollmondnächte
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