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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Stadler
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Schmerzensfreitag
    In einer Geschichte, die keine Notiz von uns nahm, wohnten wir in unserem Haus unter dem Strohdach mit dem Schmerz als Grundriss und mit dem Satz, der von Bett zu Bett weitergegeben wurde bei uns: dass das Leben kurz sei, so kurz, wie einmal das Dorf hinauf- und hinuntergelaufen. Dazu war es Tradition bei uns, dass, wenn einer starb, sein Bett zusammengeschlagen und verbrannt wurde. Daher kommt es, dass es kein altes Bett gibt bei uns. Nur die Stelle blieb die alte, der Ort, unsere Schlafkammer, unser Zeugungs-, Schlaf- und Sterbeplatz. Der Tod hatte hier seinen Platz im Leben. Ich könnte die Stelle zeigen.
    Der Tod war in unserer Sprache nicht formulierbar. Nur die schwierigsten Konditionalformen und Futur II in der Sprache von Vater und Mutter, der Muttersprache, die ausgestorben, ausgerottet ist wie die Indianer.
    Alle, die dieses Haus verlassen haben: in den Krieg, nach Amerika, in die Fremde, auf unseren Friedhof, zum Schein - jene, die wiederholt zurückkehrten, zum Schein: der eine Onkel aus Amerika, zum Beispiel, und die später vermissten Onkel vom Fronturlaub ... Alles geschah, damit es vergessen sei.
    Dennoch trotzten wir all diesem und schafften uns im Verlauf von zwei Olympiaden vier neue Sitzgarnituren an. Die dürftigen Angebote vom einzigen Polstergeschäft vor Ort kamen mit dem Bestellkatalog ins Haus. Immer wieder wurde eine neue Garnitur ausgesucht. Unser Raumausstatter, der nur einen Vornamen hatte (Jetzt kommt der Fritz!), zeigte seine Sachen im Katalog, die Garnituren; und eine davon bestellten wir. Nur die Farbe konnten wir uns ausdenken. Sie wurde vom Fritz vorgelesen. Und wenn sie dann ins Haus kam, gab es Geschrei und Tränen, bis zu Selbstmorddrohungen hin. Die Bilder waren ja schwarz und weiß. Aber diese Farbe wollte ich nicht!
    Die Sitzgarnituren hatten gar nichts mit dem dumpfen Verschönerungsdrang zu tun, der im Lauf meiner Jahre alles zerstörte, was mir schön schien an diesem Dorf, in dem ich stehen und gehen lernte, und auch nichts mit Verschwendung, sondern waren ein vielleicht hilfloser Versuch, allem zu entkommen, eine Art Beschäftigungstherapie aus Schmerz über Kürze und Verlauf dieses Lebens hier. Eine vielleicht unstillbare Sehnsucht, sich auszuruhn. Ein Verlangen nach einem Ort zum Ausruhn - und trotz allem zu bleiben.
    Man muss die Sitzgarnituren philosophisch sehen.
     
    Vielleicht waren es aber auch nur die Angst vor dem Tod und die Furcht vor dem Schmerz eines langsamen Sterbens, ausgelöst und bedingt durch die Nachstellungen der Bank, war es der Anruf von Bantle an jedem vorletzten Geschäftstag des Monats mit der Frage, ob wir das Zahlungsziel erreichten.
    Was ich am Ende, eines Freitags, entdeckte, war die Eintragung einer Grundschuld in Millionenhöhe, das heißt, ich entdeckte nur die Quittung über die Begleichung entsprechender Notariatskosten, einen kleinen Zettel, der in einer der Küchenschubladen herumlag.
Schmerzensfreitag
     
    weil ich an einem Schmerzensfreitag, wie hier im Hochland der Freitag vor Karfreitag heißt, ohne dass ich wüsste, warum, geboren wurde, an der Straße von Wien nach Paris, wie Heidegger, den jeder verehrt und keiner liest, Welte, auch ein Philosoph, der am Ende nur noch Rosen malte, Anita Gillert, Bravo-Girl 1971, von David Garrick, dem Sänger von Dear Mrs. Applebee, am Marktbrückle nach München in die Stadt abgeholt, nicht »in einer Mottenkiste verschwunden (bitte melden)«, nun glücklich auf Bali, wie mir die Nichte schrieb, Johann Baptist Roder, der Viehzüchter, der schon im neunzehnten Jahrhundert sein auf dem einheimischen Mist gewachsenes Vieh bis nach Südafrika verkaufte, Abraham a Sancta Clara, einer der Retter Wiens (Mercks Wien!), Johann Baptist Caspar Seele, der als Schlachtenmaler einigen Erfolg erzielte, Lucy Braun, die Modeschöpferin in Mailand, Conradin Kreutzer mit seinem Schon die Abendglocken und Anton Gabele, der Heimatdichter, dessen Stern ebenfalls in einer Zeit leuchtete, die andere als finster bezeichnen, sowie der Meister von Meßkirch. Ein Bild blieb in der Stadt, siebzig wurden vom Fürsten, der sich in der Bierbranche einen Namen gemacht hat, verscherbelt oder nach Donaueschingen transportiert, wo sie im Fürstlichen Museum verkamen, bis alles von einem Industriemogul, der wegen der Steuer in die Schweiz geflüchtet war, aufgekauft wurde. Der Mann hat für die Meßkircher Sachen ein Museum gebaut, aber nicht in Meßkirch. Es ist so viel, dass gar nicht alles Platz hat. Der

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