Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir
das zottelige Mistviech schließlich abhängen konnte.
Er wartete ein paar Meilen weiter, bis ich nackt und mit wunden Füßen zu ihm aufgeschlossen hatte.
Keiner von uns sprach ein Wort.
Erst als wir die Einöde hinter uns ließen und durch die Stadt fuhren, die tagsüber merkwürdig verändert und blass aussah, sagte Dead Crow:
»Du hast da echt einen Crazy Wolf, Kid. Einen total verrückten Wolf.«
Mit dieser Erkenntnis endete unser erster Feldversuch.
Ehe wir uns das nächste Mal in die Wüste wagten, brachte Dead Crow mir ein paar Atemtechniken bei.
Übte jeden Tag eine Stunde mit mir, manchmal sogar zwei.
»Alte indianische Techniken?«, fragte ich beim ersten Mal, als wir im Lotussitz auf seinem Bett saßen, die Augen geschlossen, den Geist jedoch weit geöffnet, wie mein weiser Mentor es formulierte.
»Yoga«, antwortete Dead Crow nach dem nächsten Ausatmen.
Ein anderes Mal fragte ich ihn, ob er womöglich denke, ich sei verdammt noch mal schwanger oder so was in der Art.
»Du bist viel zu hässlich, um geschwängert zu werden, Kid. Und jetzt halt die Klappe und mach, was ich dir sage. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein … langsamer, Kid, du hechelst.«
Schließlich befand er, ich sei bereit für einen weiteren Versuch.
Also fuhren wir erneut in die Wüste.
»Aber nicht wieder treten, okay?«, bat ich, als wir uns erneut im rotbraunen Sand gegenüberstanden.
Dead Crow lächelte freundlich.
»Okay, Kid«, sagte er vernünftig. »Und du passt auf, dass Crazy Wolf bleibt, wo er ist, klar?«
Ich nickte grimmig, und mein indianischer Freund hämmerte mir seine knochige Faust gegen das Kinn.
Doch er sollte recht behalten.
Sicher, es war nicht leicht, und am Ende war mein Wille vermutlich entscheidender als die Scheiße mit dem Ein- und Ausatmen.
Jedenfalls zeigte ich dem Wolf, wer der Boss war.
Ich blieb trotz Dead Crows Schikanen ein Mensch.
Ein wütender, gequälter, innerlich zerrissener Mensch mit blauen Flecken und schmerzenden Rippen.
Aber ein Mensch.
So hat mich Dead Crow gelehrt, wie ich den Wolf in mir abseits des Vollmonds kontrollieren kann.
Wir wiederholten die Wüsten-Trips.
Am Ende gelang es mir sogar, die Verwandlung bewusst herbeizuführen, danach weitgehend die Oberhand zu behalten und letztlich den Zeitpunkt der Rückverwandlung zu bestimmen.
Dead Crow sagte es nicht, aber er war mächtig stolz.
Ich übrigens auch.
Vier Wochen später setzte sich der beste und einzige echte Freund, den ich je hatte, den goldenen Schuss.
Ich trug ihn aus der Scheißhauskabine, in der ihn die indianische Putzfrau gefunden hatte.
Eine seiner Schwestern.
Anderer Stamm, aber gleiches Blut, oder so.
Sie heulte selbst wie ein Wolf.
War zum Glück der Erste, der auf ihren Terz reagierte.
Hab den alten Bastard in eine fleckige Tischdecke vom Putzwagen gewickelt und in die Tiefgarage getragen, so, wie wir es immer mit den abgefüllten Starlets gemacht haben, damit die Paparazzi kein Foto bekamen.
Legte ihn auf den Rücksitz seines Mustangs, setzte mich in den Wagen, auf dem noch der Staub unseres letzten Wüstentrips klebte, und fuhr los.
Hab den verrückten Indianer wie einen Häuptling mitten in der Wüste aufgebahrt, mit Whiskey übergossen und angezündet.
Er und die aufgehende Sonne brannten um die Wette.
Ich wartete, bis der Wind anfing, seine Asche zu verwehen.
Anschließend fuhr ich in Richtung Norden, um Seattle erneut meine Aufwartung zu machen.
*
Auf die Idee mit dem Käfig kam ich nach meiner Rückkehr aus Vegas.
Dead Crow hatte mir gezeigt, wie ich den Wolf in seine Schranken weisen und beherrschen kann.
Ließ ich die Bestie bei Vollmond hemmungslos wüten, schadete das allerdings unserer Beziehung.
Außerdem hatte ich das Gefühl, Dead Crows Andenken zu verraten, wenn der Wolf an Boden gewänne.
Nichts Schlimmeres als Kerle, die sentimental werden, mh?
Auf alle Fälle ist der Käfig schon eine praktische Sache.
Und falls mal jemand fragen sollte, ist er für Marlowe.
Lieber Tierquäler als Tiermensch.
Die Schalldämmung an den Wänden rechtfertige ich hingegen mit dem alten Schlagzeug, das ich billig von einem befreundeten Clubbesitzer gekriegt hab und das hier unten in einer Ecke unbeachtet einstaubt.
Für die Riegel und Schlösser an der Innenseite der Tür hab ich unterdessen noch immer keine sinnige Ausrede.
Allerdings interessiert sich mein Vermieter einen Scheiß für das, was sein vorbildlich zahlender Mieter mit dem kleinen Raum neben dem Heizungskeller
Weitere Kostenlose Bücher