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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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gut überblicken. Denn sie bevorzugte
den Platz hinter dem Kassentisch, der samt Kasse und Computerbildschirm auf
einem Podest thronte. Der Bildschirm stand recht hoch, sodass Linda immer ein
wenig das Kinn recken und den Hals lang machen musste, um etwas zu erkennen,
wenn sie das Buchhändlerprogramm nach lieferbaren Büchern durchforstete.
Momentan schaute sie jedoch nicht dorthin, sondern schickte ein freundliches
Lächeln in Richtung der beiden »Damen« vor Iris.
    »Heute ist mein zweiter Tag. Ich finde es toll, dass Linda mich hier
arbeiten lässt«, schob Iris nach, der klar war, dass sie kommunikativer werden
musste, wenn sie hier etwas erfahren wollte. »Man begegnet so vielen interessanten
Leuten«, säuselte sie über die Sektgläser hinweg.
    Sie brauchte diese Tanja noch. Eine geltungsbewusste Ehefrau wie sie
war bestimmt eine gute Quelle für Interna aus dem Regierungspräsidium. Und
Elena konnte sicher einiges vom Schluchseewerk beisteuern, das sie, wie die
meisten anderen Menschen, kurz »Schluwe« nannte.
    Die Kaffeemaschine hatte ihren Dienst verrichtet und hörte mit einem
zischenden Geräusch auf zu rattern. Iris drehte sich wieder in Richtung
Spiegel, rührte Schokopulver in den Milchkaffee im Glas, der heutzutage Latte
macchiato hieß, streute Schokostreusel auf die Schaumkrone, goss vom Likör
darüber und stellte die Kreation vor Elena auf die Glasplatte der Theke. Direkt
neben das Sektglas. »Bitte sehr.«
    »Vielen Dank.« Elena hatte den mäandernden Blick von Menschen, die
etwas wollen, sich aber noch nicht entschieden haben, wie sie die Angelegenheit
angehen werden. Ihre blassblauen Augen wichen denen von Iris aus und schauten
stattdessen über deren Schulter hinweg in den Spiegel, in dem derzeit nur Iris’
Rücken zu sehen war. » Uuund ? Ich hörte, Sie
wollen in der Altstadt eine Galerie aufmachen. Wie
in-te-res-sant ! Gibt es denn schon einen Namen?«
    Linda ließ Iris hinter dem Rücken der beiden Damen ein
verschwörerisches Grinsen zukommen, begab sich eine Stufe tiefer auf die erste Ebene
ihres Buchladens und gesellte sich zu ihnen. »Ja, Iris hat einen tollen Namen.
Galerie ART ig. Ich fände Galerie Un ART ig aber auch nicht schlecht.«
    »Vielleicht nenne ich sie aber auch Eigen ART ig«,
muffelte Iris.
    »Ohhh.« Tanja hob die Hand vor den Mund und kicherte. Sie hatte
schlechte Zähne, deswegen hielt sie immer die Hand vor den Mund, wenn sie
lachen musste. Doch im Gegensatz zu Elena erreichte bei ihr das Lachen
wenigstens die Augen.
    »Am liebsten würde ich sie ja hierbehalten. Iris hält nur leider
nichts davon, ihre Galerie hier bei mir einzurichten. Dabei wäre an den Wänden
doch genug Platz. Ich versuche gerade, sie zu überreden, wenigstens in die
Räume des ehemaligen Kaufhauses May einzuziehen. Dann wäre sie nicht so weit
weg, und wir könnten uns hin und wieder draußen treffen. Doch sie will
unbedingt unten an die Rheinbrücke. Gegenüber dem Fotoladen, da ist ja immer
noch etwas frei.«
    »In-te-res-sant«, wiederholte Elena.
    »Draußen«, das waren die Tische und Stühle, die Linda vor ihrem
Laden aufgestellt hatte. Die kleine Terrasse ragte an ihrer höchsten Stelle
etwa mannshoch über die steile Laufenburger Andelsbachstraße. Jetzt, wo die
Sonne wieder höher stieg, wurde sie eifrig genutzt.
    »Ach ja, wir sitzen hier, genießen das Leben und reden über Kunst,
und diese armen Leute in Japan …« Elena seufzte theatralisch.
    Tanja nickte mitfühlend. »Erst das Erdbeben, dann der Tsunami und
nun dieser kaputte Reaktor.«
    »Kaputt? Ein bisschen gravierender ist es ja wohl schon. Am Ende
wird sich herausstellen, dass es schlimmer war als in Tschernobyl. Außerdem
geht es in Fukushima um mehr als nur einen Meiler. Jedes einzelne Kraftwerk ist
eine Gefahr.« Iris konnte sich einfach nicht bremsen. Ihre Heftigkeit trug ihr
einen warnenden Blick von Linda ein. Die Kunden waren in dieser Buchhandlung
immer König.
    Elena warf Tanja einen blassblauen Seitenblick zu, als wollte sie
ihr bedeuten: Jetzt sag du auch mal was. Die kam daraufhin richtig in Fahrt.
    »Mein Schwager sagt, die Grünen tun nur so vollmundig.« Sie hob
entrüstet das Kinn. »Wir können gar nicht so einfach aus der Atomkraft aussteigen,
sonst ist die Wirtschaft im Land bald ruiniert. Was meinen Sie, was die H.C . Starck und die Firma Treibacher in Rhina wohl
machen, wenn der Strom noch teurer wird? Sie gehen woandershin, verlagern die
Produktion nach China oder sonst wohin. Fabriken haben sie

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