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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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den
Folterkammern des einstigen Zahnarztes. Dr. Schindler war einer jener
hartgesottenen Kerle gewesen, die auch in die Gefängnisse gingen, um den
schweren Jungs auf den Zahn zu fühlen. Wenn Killian in Rückenlage gegen das
grelle Licht blinzelte, gab es keine Spritze zur Betäubung, sondern
Gruselgeschichten von Dr. Schindler, der sich weit über ihn beugte und immer
näher kam, je gruseliger die Geschichten wurden. Am liebsten erzählte er den
Witz mit der riesigen Kneifzange, die nie und nimmer in einen Kindermund
gepasst hätte. Und dann lachte er laut und riss sein Maul so weit auf, dass man
seine schlechten Zähne nicht nur sehen, sondern auch riechen konnte. Wie konnte
ein Zahnarzt so faule Zähne haben?
    Die Treppen rochen nach Putzmittel, das vertrieb die Erinnerung an
den fauligen Odem Dr. Schindlers. Eine Türkin, die Mitte fünfzig sein mochte,
wirbelte den nassen Mopp über den falschen Marmor.
    »Affedersiniz«, sagte Killian
in den Rücken der arbeitenden Frau. Sie schrak hoch und drehte sich zu ihm um.
Er lächelte und nahm mit einem großen Schritt drei Stufen auf einmal, um nicht
in das frisch Gewischte zu treten. Die Putzfrau nahm es dankbar auf, lachte
ebenfalls und tauchte den Mopp wieder in den schäumenden Wassereimer.
    Die Eingangstür der Praxis war angelehnt. Killian klopfte dennoch an
und trat dann ein. Es war niemand zu sehen.
    »Hallo? Jemand hier?«, rief er.
    Keine Antwort. Er ging durch einen kleinen Flur, passierte das leere
Wartezimmer und landete an der Rezeption. Als er auch hier niemanden antraf,
wollte er schon wieder kehrtmachen. Aber aus einem der Praxisräume war ein
Geräusch zu vernehmen. Killian ging auf die angelehnte Tür zu und drückte sie
auf. Das Geräusch rührte von einem Drucker, der einen Stapel Papier auswarf.
Doch es war niemand zu sehen, für den der Druckauftrag erledigt werden sollte.
Killian betrat den Raum und spürte plötzlich etwas Hartes in seinem Rücken, das
sich wie der Lauf einer Waffe anfühlte. Instinktiv hob er die Hände und
überlegte rasch, wie er die Bedrohung entschärfen konnte. Die eingetrimmten
Lektionen des Nahkampfes machten ihm verschiedene Angebote: Ein Schritt nach
vorne, Drehung mit Oberkörperneigung nach rechts, gleichzeitiger Schlag mit dem
linken Arm gegen den Handrücken des Schützen wäre eine Möglichkeit. Andere
Variante: Schritt zurück gegen den Lauf, mit überraschender Kopfnuss gegen das
Nasenbein des Schützen, dann sofort abtauchen und Tritt von vorne gegen die
Kniescheibe des Gegners. So lange es dauerte, die Aktionen zu beschreiben, so
schnell waren sie durchgeführt. Aber Killian wählte keine dieser Optionen,
sondern drehte sich einfach nur um, weil sich der Lauf der Pistole von allein
aus seinem Rücken entfernt hatte.
    Belledin hob die buschigen Augenbrauen und steckte die Walther ein.
»Du spielst doch nicht etwa wieder Detektiv?«
    Killian blickte nicht nur unschuldig, diesmal war er es auch. Er
wusste nicht, was Belledin damit meinte.
    »Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder du sagst mir, dass du aus
reiner Langeweile wieder unseren Job machen willst, oder du gestehst, dass du
in geheimer Mission für das BKA und den Mossad unterwegs bist. In beiden Fällen erschieße ich dich auf der
Stelle.«
    Killian war überrascht von Belledins Humor. Vermutlich hatte er sich
wieder mal einen Dirty-Harry-Film angeguckt und litt jetzt darunter, dass er im
Dienst keine Magnum tragen durfte. Aber Killian verkniff sich die Riposte und
blieb sachlich.
    »Ich suche lediglich den Heilpraktiker Thomas Hartmann.«
    Belledin kniff die Augen zusammen. »Kennt ihr euch?«
    »Noch nicht. Ich wollte einen Termin mit ihm vereinbaren.«
    »Dann muss ich dich doch erschießen.« Belledin kam Dirty Harry wirklich
nahe. »Hartmann ist nämlich tot. Den kannst du nur im Jenseits konsultieren.
Aber erzähl mir jetzt bloß nicht, dass du das noch nicht weißt. Laut meinen
Informationen bist du nämlich schon seit Juni wieder von der Front zurück. Und
der Mord an Hartmann ist das Ereignis
seit einer Woche.«
    »Der Heilpraktiker wurde ermordet?« Killian stutzte. Er hatte nichts
davon mitbekommen. Um ungestört an den Entwicklungen seiner Fotos arbeiten zu
können, hatte er in den letzten Tagen auch Computer und Telefon gemieden.
Lediglich den Pizzabringdienst hatte er an sich herangelassen.
    »Ich war so mit meiner Arbeit beschäftigt, das habe ich gar nicht
mitgekriegt. Ich wollte den Heilpraktiker aufsuchen, weil ich gerade nicht

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