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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Tierarzthelferin. Sie hat dann wegen Brustkrebs aufgehört, sie hat die Krankheit aber besiegt.«
    »Sie wissen, dass Helga Mayr die Nachbarin von Maurers war?«
    »Ja, das machte die Situation noch unerträglicher. Ich wusste, dass Helga die Tochter der Maurers sehr gern mochte. Auch ich kannte das Mädchen. Johannes kannte sie. Margit kannte sie. Ein prima Mädchen, im Gegensatz zu ihrem despotischen Vater. Ich kannte auch Sabine Maurer, die war ein paar Mal, als Ann-Kathrin noch klein war, mit Meerschweinchen bei uns. Sie kam mir damals schon sehr verunsichert und sehr hektisch vor.«
    Irmi hätte die Frage stellen wollen: Warum erfahre ich das erst jetzt? Und gleichzeitig wusste sie, dass diese Frage sinnlos war. Warum hätte einer der Beteiligten damit hausieren gehen sollen? Wo doch alle zu vergessen suchten.
    Heute war ein Tag, an dem sie am liebsten ihren Job an den Nagel gehängt hätte. Was hieß das schon, Gerechtigkeit zu suchen, damit andere Recht sprechen konnten? So viel Elend in einer Familie, und nun würde sie, Irmi Mangold, dem Vater endgültig den Boden unter den Füßen wegziehen. Sie versuchte bei der Sache zu bleiben.
    »Haben Sie Helga Mayr denn öfter getroffen?«
    »Selten. Ich war ja wenig da. Sie hat aber die Blumen gegossen und nach dem Rechten gesehen. Frau Wild gleich nebenan wollte ich nicht fragen, das ist so ein Tratschweib. Helga habe ich vertraut.«
    Helga Mayr hatte das Haus von Maurers und von Geipels gehütet, alles lief bei ihr zusammen. Und sie, Frau Hauptkommissar, hatte die Zeichen nicht gesehen. Aber bei aller Selbstkritik: Sie hatte die Zeichen auch nicht sehen können. Oder doch?
    »Wusste Frau Mayr denn, wo die Schlüssel sind?«
    »Nein, das wusste sie nicht. Das wusste niemand. Wirklich!«
    »Danke, Herr Geipel, warten Sie bitte draußen?«
    Irmi bat Kathi herein und setzte diese kurz ins Bild. Über die Gespräche mit Helga Mayr, sogar darüber, dass Frau Mayr sie erkannt hatte, weil sie vor vielen Jahren vor dem Haus der Maurers spioniert hatte. Irmi hatte eigentlich eine Schimpftirade erwartet wegen all ihrer Alleingänge, aber Kathi sagte nur: »Dann hören wir uns Frau Mayr mal an.«
    Helga Mayr wirkte gefasst. Sehr ruhig. Fast befreit.
    »Frau Mayr, würden Sie uns das Ganze bitte schildern?«, bat Irmi. »Vor allem den Teil, den ich noch nicht kenne.« So ganz gelang es ihr nicht, die Bitterkeit zu unterdrücken. Diese Frau war ihr so sympathisch gewesen.
    »Das Ganze – wie sie das nennen – hat vor vielen Jahren begonnen. Ich war in der Praxis Geipel beschäftigt, musste aber leider aufhören, weil ich eine Krebserkrankung hatte. Ich kannte die Geipels schon länger als die Maurers, die ja bekanntlich später ins Haus neben dem meinen gezogen sind. Ich hätte bei Klaus Geipel gerne später wieder gearbeitet, aber als er dann diese Stelle in Penzberg angenommen hat, ging das nicht. Man hat sich aus den Augen verloren und erst wiedergetroffen, als der Unfall passiert war. Ich kann gar nicht beschreiben, wie es war, als ich erfahren hatte, dass ausgerechnet Margit Geipel meine Ann-Kathrin überfahren hatte. Ich habe Klaus natürlich aufgesucht, wir waren beide wie Überlebende nach einem Schiffbruch. Ich war Klaus oder Margit nie böse – es gab so viele Opfer in dieser grauenvollen Geschichte. Nur Opfer!«
    »Und zwei Täter?«, hakte Irmi nach.
    »Es gab mehr Täter. Den Bürgermeister, diesen ganzen selbstgefälligen Gemeinderat. Diese Amigos und Spezln, die alle ihren Kopf aus der Schlinge gezogen hatten. Die lieber wegsahen als hinschauten, was ihre missratenen Kinder da so trieben. Und dann ist Alkoholismus ja auch nur ein Kavaliersdelikt.«
    So ähnlich hatte das Brischitt auch formuliert. Irmis Magen rebellierte wieder.
    »Warum dann aber Fischer und Maurer?«
    »Xaver Fischer war der Schlimmste. Völlig uneinsichtig. Anstatt wenigstens betroffen zu sein und fein stad, hat er überall herumgebrüllt, dass die Eltern versagt hätten. Er hat Klaus verhöhnt. Es ist unerträglich, wie satt und völlig unreflektiert ein Großteil der Menschheit ist. Fischer war das Paradebeispiel.«
    »Und Martin?«
    »Martin? Das fragen gerade Sie doch nicht wirklich? Er hat sein Kind verloren und ist – mal abgesehen von dem einen oder anderen Ausraster gegen Klaus’ Familie und gegen Xaver Fischer – zur Tagesordnung übergegangen. Er hat Sabine auf dem Gewissen. Ist einfach abgehauen. Ich hab noch nie jemanden so gehasst wie diesen Mann. Nicht mal meinen eigenen.«

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