Hundstage
darauf, ein kräftiges Bauernfrühstück wäre jetzt das Rechte, dachte sie. Und während Sowtschick drinnen von einem Zimmer ins andere ging und immer mehr Stühle wieder aufstellte und die Schuhe in den Schuhschrank räumte, kam in ihr ein freundlich-wehes Gefühl auf, der Gedanke an einen jungen Mann mit schwarzem Haar, einen Anhalter, mit dem sie ein paar nette Stunden verlebt hatte.
Bei seinem Stühle-Aufstellen fiel Sowtschick eine Porzellan-Gruppe ins Auge. Um das Hirtenmädchen handelte es sich, das von ihrem Freund einen Vogel gereicht bekommt und in den Käfig steckt. Beiden war säuberlich der Kopf abgeschlagen! Und da dachte er: Wenn man die Köpfe abgeschlagen hat, dann müssen sie ja noch irgendwo sein. Mit dem Fuß purrte er in den Trümmern herum, und siehe da, zwischen Kothaufen und ausgerissenen Kakteen lag der Kopf des Hirtenmädchens. Sowtschick sah es sich an, das liebe Gesicht, und er probierte es, er hielt das Köpfchen an die Bruchstelle … Das würde man kleben können, ohne Zweifel. Alles kleben und wieder heil machen, alles wieder hinstellen, wo’s gestanden hat, und dann eine Mauer um das Grundstück herum bauen, mit Stacheldraht obendrauf, und scharfe Hunde anschaffen. Die schärfsten Hunde, die es überhaupt gibt. Mannscharf. Und die Mauer so hoch wie’s irgend geht, und dazu Maurer chartern aus Hamburg oder Bremen, nicht aus Sassenholz. Und wenn Leute klingeln am Tor, denen dann zuschreien durch die Sprechanlage: «Abhauen! Leine zieh’n! Verdünnisieren!» Den Rest des Lebens mit Marianne auf dem Sofa sitzen und geradeaus gucken. Intimsphäre schaffen, die sich gewaschen hat!
Draußen fuhr inzwischen die chinesische SchriftstellerDelegation vor, elf Uhr dreißig, gewissenhaft angesagt und pünktlich eingetroffen. Die Chinesen sollten nach all den Molkereien und Möbelfabriken endlich mal einen deutschen Autor zu sehen kriegen, darauf freuten sie sich schon. Auf ihre Weise lächelnd, kamen sie hereingestiefelt, traten knirschend auf Scherben und wunderten sich über die Wohngewohnheiten moderner deutscher Autoren. Oder war dies ein postmodernes Happening?
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1. Auflage
Genehmigte Taschenbuchausgabe Oktober 2004
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eISBN 978-3-64105922-4
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