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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Ebertowski
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Karl
den Sergeanten fragen.
    »We call it ›Schillerlocken‹«, raunte
Edith ihm zu. »It’s smoked fish.«
    Karl musste an sein Mittagessen denken. Kohlrübeneintopf.
Das fingerlange Stück Fleisch in der Suppe hatten er und Vera sich gerecht
geteilt.
    Die Getränkeauswahl ließ ebenfalls nichts
zu wünschen übrig. Benno schien die gesamten Schwarzmarktbestände an erlesenen
Alkoholika der Stadt aufgekauft zu haben. Dem Weißen Riesen von der
Jiu-Jitsu-Truppe standen die Tränen in den Augen, als er eine Flasche Danziger
Goldwasser entdeckte. »Weeste, wann ick davon det letzte Mal een Glas jetrunken
hab, Karl? – Beim Rückzuch in Ostpreußen wart jewesen, kurz bevor mir son
Russki ‘nen Streifschuss am Arsch verpasst hat. Mit dem Resttröppecken ausser
Pulle hab ick denn leider die Wunde desinfizieren müssen.«
    Auf dem Podest am Saalende spielte ein
Fünf-Mann-Orchester Tanzmusik. Um zwanzig Uhr strömten immer noch Scharen von
Gratulanten in den Saal. Birgit, die mit Brandermann seit sieben Uhr im Oriental war, ging mit Vera in den Lagerraum hinter dem Tresen, um sich für ihre
lustige Geburtstagsnummer umzuziehen.
    Plötzlich tauchte der kleine Hansi in
Motorradkluft am Eingang auf. Er nahm hektisch den Helm ab, sah sich suchend um
und zwängte sich schließlich durch die Geburtstagsgäste hindurch zu Karl an den
Tresen. »Ick müsste mal mit dir irjendwo in Ruhe quatschen.«
    »Am besten draußen.«
    Die Männer gingen auf die Straße. Es
regnete verhalten. »Mensch, Karl, ick hab zufällich wat im Heiermann uffjeschnappt.«
    Der Weddinger Heiermann war ein
berüchtigter Hehlertreffpunkt. Karl war die Eckkneipe am Nordhafen aus den
Zeiten, als er Benno noch bei seinen Schwarzmarktgeschäften behilflich gewesen
war, bestens bekannt. »Schieß los!«
    »Ick klopp da doch manchmal mit zwee
alten Kumpels Karten. Is der Laden voll wie heute, hocken wa uns meistens an
den Dreiertisch neben der Theke.«
    Karl nickte. Dort an dem kleinen Tisch
hatte er oft für seinen Freund gedolmetscht.
    »Ejal, jedenfalls saß ick mit dem Rücken zum
Schankraum. Schräg hinter mir trank jemand ‘nen Halben, so’n feister Kerl mit
Schmissen inner Fresse. Als ick mir zufällig später umdrehen muss, weil beim
Mischen ‘ne Karte runterfällt, seh ick, wie sich Elektro-Klaus zu
der Narbenfresse setzt. Aha, denk ick, der Klaus ist bestimmt wieder
jeschäftlich zujange, denn stör ick den mal besser jetz nich. Während wir
weiter munter Karten dreschen, fällt mir derweil wieder ein, wo ick den Dicken
schon mal jesehen hab: Uff’m Schwarzmarcht in Zehlendorf nämlich, da, wo die
Polente die falschen Fuffzijer einjesackt hat. Ick spitze also die Ohren und
rücke so unuffällich wie möchlich mit’m Stuhl so weit nach hinten, bis ick
eenijermaßen hören kann, wat die zwee bekakeln. – Elektro-Klaus und die fette
Narbenfresse harn nämlich ausjemacht, det se sich nachher
um neun wejen ‘ner Überjabe von irjendwat anner Spree treffen. Wat jenau da
überjeben werden soll, konnte ick leider nich richtich verstehen. Nur det der
Klaus ‘ne Aktentasche mitbringen würde, wo allet drin is. Dann
sind se ooch beede bald jejangen, und ick hab mir kurz danach uff’n
Bock jeschwungen und bin hierher jedüst. – Kannste damit wat anfangen?«
    »Möglich wär’s. – Wo an der Spree ist ihr
Treffpunkt?«
    »Am Tegeler-Weg-Ufer, jejenüber vom
Schlosspark Charlottenburg, gleich links hinter der Brücke, von hier aus
jesehen. – Wat hast’n vor?«
    »Erst rede ich mit Benno, dann sehe ich
weiter.«
    »Broochste mir vielleecht noch?«
    »Ich glaube, eher nicht«, sagte Karl.
»Aber danke für den Tipp.«
    Beide betraten wieder das Oriental. Hansi widmete
sich augenblicklich dem Buffet, Karl drängelte sich nach hinten zur Tanzfläche durch.
Benno unterhielt sich zufällig gerade mit dem Major. Nachdem Karl beiden von
dem Gespräch mit Hansi erzählt hatte, blickte Miller auf seine Armbanduhr. Es
war acht Uhr dreißig.
    »Wir könnten noch rechtzeitig an der
Spree sein. Was meinen Sie, Mister Charles? Der Horch steht direkt vor der
Tür.«
    Karl bat Benno, Vera zu informieren.
    Auf der Tanzfläche kamen Karl und der
Major dicht an Birgit vorbei, die mit Sergeant Burns tanzte.
    »He, Karlchen, wohin so eilig?«
    »Getränkenachschub holen. Der Major fährt
mich. Wir sind gleich wieder zurück.« Er und Miller kämpften sich zum
Saalausgang durch. Brandermann unterhielt sich mit einem Stammgast an der
Theke. »Nanu, Sie wollen doch nicht

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