Hurra, die Lage wird ernst
zusammen. Aufmerksam
verfolgte ich jeden Handgriff und wich keinen Millimeter von ihrer Seite. Mein
Schlaf war verflogen. Und dann verschnabulierte ich in Windeseile, aber dennoch
genüßlich einen großzügig abgetrennten Kotelettknochen, einige separate
Fleischstückchen, drei Hundekuchen und ein halbes Stück Torte. War das ein
Festessen! Selig und vollgefressen schlurfte ich zu meinem Schlafkorb, und
schon war dieser aufregende erste Tag für mich zu Ende, obwohl ich mir doch so
viel vorgenommen hatte.
Am
nächsten Morgen hatte ich Mühe, Anja wachzukriegen. Ich gebe ja zu, es war noch
dunkel, aber mich zwickte mein Bauch, und wenn man bedenkt, daß sie abends
vergessen hatte, noch einmal mit mir an den nächsten Laternenpfahl zu gehen,
wird man meine Not verstehen. Schließlich war ich schon damals ein
ausgewachsener Hund und an Sauberkeit gewöhnt. Es fiel mir wirklich schwer, sie
so früh aus ihrem süßen Schlummer zu reißen, und ich bemühte mich deshalb, sie
so behutsam wie möglich anzustubsen, so leise es ging zu jaulen. Sie lag auf
dem Bauch, mit der einen Hand hielt sie das zerknüllte Kissen, die andere hing
fast auf dem Boden. Das schlafende Gesicht war tief ins Kissen gekuschelt,
ringsherum schlängelte sich wirres Blondhaar. Als ich sie so sah, vergaß ich,
wenn auch nur für einen kurzen Moment, meine Not und schwor mir, sie zu
beschützen, mochten es mir die kommenden Ereignisse auch noch so schwermachen.
Ihr sollte kein Haar gekrümmt werden, dafür wollte ich sorgen, ich, Schuftel
Benjamin.
Alle Hunde haben einen wunderbaren
Wecker, ihre kalte feuchte Nase. Es muß schon einer volltrunken oder halb tot
sein, wenn er bei der Berührung mit einer Hundenase nicht zusammenzuckt. Anja
war beides nicht, und so zog auch sie beim dritten Versuch ihre Patschhand
zurück, hob erschreckt das Gesicht aus den Kissen und erinnerte sich gleich
ihrer Pflichten.
»O Gott, du armer Schuftel, dich
hatte ich ja ganz vergessen.« Es dauerte zwar noch ein Weilchen, bis sie ganz
und gar aus dem Bett war, aber so lange konnte ich mich noch beherrschen. Fast
hätte ich an mein dringendes Bedürfnis sogar gar nicht mehr gedacht, denn sie
machte ein Theater, das ich beim besten Willen nicht verstand.
Halb hatte sie sich das geblümte
Nachthemdchen schon über den Kopf gezogen, als sie es plötzlich wieder fallen
ließ. Eifrig sah sie sich um, wo ich wohl stecken mochte, und als sie mich
endlich an der Tür entdeckte, wollte sie partout, ich solle mich umdrehen. Nun
werden Sie sicher schon bemerkt haben, daß ich ein ziemlich gehorsamer Dackel
bin, aber Befehle, deren Sinn ich nicht begreife, führe ich grundsätzlich nicht
aus. Warum zum Teufel sollte ich mich umdrehen? Also blieb ich weiter sitzen,
wo ich saß, bellte einmal kurz, um ihr zu sagen, sie solle sich beeilen, und
sah sie weiter an, in der Hoffnung, daß sie endlich ihre Blumenhülle abstreifen
und in Höschen und Kleid steigen möge.
»Du bist ein Hundemann, also drehst
du dich um, verstanden?«
Ich dachte ja gar nicht daran, und
ich hatte auch wirklich keine blasse Ahnung, was das alles sollte. Sylvia, mein
verflossenes Filmfrauchen, hatte nie derartige Anwandlungen, höchstens Fräulein
Leitwein, wenn ich’s recht bedachte. Aber sie hatte sich nie beschwert, wenn
ich ihr zuschaute, sie hatte sich höchstens ein Handtuch vorgehalten und nach
einem Stuhl geangelt, um sich dahinter zu entblättern. Warum sie aber solche
Umstände machte, und warum Anja jetzt auch damit anfing? Ich weiß es bis heute
nicht.
Also blieb ich weiter sitzen und
wartete, halb ungeduldig, halb interessiert, was sich nun weiter ereignen
würde. Bei Situationen, die man nicht begreift, ist es am besten für einen
Hund, wenn er sich so verhält, als hätte er einen Stein im Ohr. Genau das tat
ich auch, und meine Rechnung ging prompt auf. Es geht nun einmal nichts über
eine praktisch angewandte Lebenserfahrung. Zwar versteckte auch Anja sich nun
seufzend hinter der Schranktür, nachdem sie sie schnell geöffnet hatte, aber
immerhin, es ging voran. Bald schon hörte ich aus dem Bad Wasser rauschen, und
wäre sie nicht wenige Minuten später fix und fertig angezogen in der Tür
erschienen, ich hätte ihr meine Duftnote genau vor die Tür gesetzt. Ein Hund
ist schließlich auch nur ein Tier.
Dann griff sie endlich nach der
Leine, und ich kläffte freudig und sprang erregt hin und her. Wir rannten
gemeinsam die Treppen hinunter, auf die Straße und an den nächsten Baum.
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