Iacobus
großen Albucasis so minutiös beschrieben worden war, um es nach meiner Rückkehr auf Rhodos bis ins kleinste Detail nachbauen zu lassen. Deshalb würde ich also an jenem besagten Tag Wams, Kettenhemd und meinen schwarzen Mantel mit dem weißen lateinischen Kreuz ablegen und Helm, Schwert und Wappen durch Schreibfeder, Tinte und scrinium ersetzen.
Gleichwohl dies durchaus ein fesselndes Vorhaben war, so bildete es, wie ich bereits erwähnte, nicht den eigentlichen Grund, weshalb ich in das Kloster gekommen war; der wahre Grund, der mich dorthin geführt hatte – eine höchst persönliche Angelegenheit, die der Seneschall von Rhodos von Anfang an gebilligt hatte –, war, daß ich an jenem Ort jemand sehr wichtigen treffen mußte, über den ich allerdings nicht das geringste wußte; weder, wie er hieß, noch wer er war oder wie er aussah … nicht einmal, ob er zu jenem Zeitpunkt noch dort lebte. Trotzdem vertraute ich auf mich und auf die göttliche Vorsehung, daß mir bei solch heikler Mission Erfolg beschieden war. Nicht umsonst nennt man mich Perquisitore, den Spurensucher.
Im Schritt ritt ich durch das Klostertor und stieg bedächtig von meinem Pferd, um ja nicht einen ungestümen Eindruck an jenem Hort des Friedens zu erwecken. Bruder Cellerarius , der über mein Kommen unterrichtet war, eilte mir entgegen – später erfuhr ich, daß ein Novize stets die unmittelbare Umgebung vom Turm der Kirche aus überwachte, ein Brauch, den man dort noch aus den nicht allzu fernen Zeiten der maurischen Herrschaft bewahrt hatte. Begleitet vom kleinwüchsigen cellerarius führte ich dann mein Pferd am Halfter in den Klosterhof, wobei mir die mustergültige Aufteilung des Klosterkomplexes bewußt wurde, um dessen großen Kreuzgang herum die unterschiedlichen Bauten vortrefflich angeordnet waren. Ferner war noch ein kleinerer und wesentlich älterer Kreuzgang, das claustrum minus, links von einem kleinen Gebäude zu sehen, welches das Spital zu sein schien.
Schließlich blieben wir vor der Hauptpforte der Abtei stehen, wo mich der Subprior höflich empfing. Der junge, ernsthafte Mönch von vornehmem Äußeren und unbestritten hoher Abkunft, wie ich aus seinen Umgangsformen schließen konnte, führte mich augenblicklich zum schönen Haus des Abts. Auch dieser und der Prior hießen mich respektvoll willkommen; man merkte, daß sie hochgestellte Persönlichkeiten waren, gewohnt, illustre Gäste zu empfangen, doch sie zeigten sich noch weitaus gastfreundlicher und liebenswürdiger, als sie mich wieder aus meiner Gastzelle treten sahen, bekleidet mit einem Habit, das dem der Brüder des heiligen Mauritius so ähnlich schien, wie sie es nur finden konnten, ohne ihren Ordensregeln zuwiderzuhandeln: Ich trug nun einen weißen Talar mit Mantel, jedoch ohne Skapulier und Gürtel, und an den Füßen ein paar ungefärbte Ledersandalen, die sich von ihren geschlossenen, schwarzen deutlich unterschieden. Als ich danach durch den Kreuzgang schritt, stellte ich fest, daß diese Gewänder sehr gut gegen die Kälte schützten und viel wärmer hielten als mein Wams mit den weiten Ärmeln und mein Chorhemd, so daß meine schwielige Haut, die an alle Unbilden der Witterung gewohnt war, sich schnell mit der Aufmachung abfand, die von nun an mein Habit sein sollte.
Der Winter näherte sich, und obwohl in Ponç de Riba Schneefälle nicht ungewöhnlich waren, so war jenes Jahr doch unbeschreiblich hart, nicht nur für das Land und die Ernte, sondern auch für die Menschen. Der Heilige Abend überraschte uns Bewohner des Klosters mit einer unendlichen weißen Schneedecke, die alles verbarg.
Während der folgenden Wochen versuchte ich mich soweit wie möglich von dem Leben und den Intrigen des Klosters fernzuhalten. Obwohl von anderer Wesensart, so kam es selbst in den Ordenshäusern der Hospitaliter gelegentlich zu gespannten Situationen, und auch dort aus fast immer nichtigen Gründen … Ein guter Abt oder Prior – wie ein guter Großmeister oder Seneschall – zeichnet sich gerade durch die Autorität aus, die er gegenüber der Gemeinschaft besitzt, um solche Schwierigkeiten zu umgehen.
Trotzdem konnte ich mich nicht vollkommen vom klösterlichen Leben distanzieren, da ich als Mönchsritter den gemeinschaftlichen Gottesdiensten beizuwohnen hatte und in meiner Eigenschaft als Arzt einige Stunden des Tages im Spital an der Seite der kranken Brüder verbrachte. Natürlich – und ich überspringe hier das, was nur meine privaten
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