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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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betäuben. Im Gegenteil. Ich möchte, dass du klar bei Verstand bist.« Er desinfizierte Judiths Armbeuge und setzte die Spritze an.
    Es war, als breitete sich flüssiges Eis in ihrem Körper aus. Die Schwäche, die es ihr noch nicht einmal erlaubt hatte, den Kopf zu heben, löste sich auf und verschwand.
    »Ein Amphetamin«, sagte Gabriel. »Du solltest dich jetzt besser fühlen.«
    Es stimmte. Die Schmerzen waren schlagartig weg, die lähmende Mattigkeit wie weggeblasen, ebenso Hunger und Durst.
    Gabriel schnitt das Klebeband durch, mit dem er die Füße seiner Gefangenen an die Stuhlbeine fixiert hatte, und trat einen Schritt zurück.
    »Steh auf.«
    Judith erhob sich. Sie fühlte sich euphorisch und voller Kraft, deshalb begann sie sofort, sich gegen Gabriel zu wehren, aber er drückte sie gegen die Wand und verband ihr die Augen mit einem Tuch, das er aus seiner Hosentasche zog.
    »Ich habe eine Überraschung für dich.«
    Er führte sie hinaus und quer über den Hof. Dann betraten sie das Haupthaus. Judith erkannte den Geruch. Doch anstatt in die Küche zu gehen oder in eines der Zimmer, die er für sie vorbereitet hatte, führte er sie eine Treppe hinab.
    Eine Tür wurde geöffnet, die Augenbinde abgenommen.
    »Schau, was ich für dich gemacht habe«, sagte er.
    Judith blinzelte in das Licht einer nackten Glühbirne, die von der Decke hing. In einer Ecke stand eine Schneiderpuppe.
    »Ich habe lange gebraucht, bis ich den richtigen Stoff gefunden hatte«, sagte er und strich über das weiße Kleid. »Chinesische Wildseide. Schwer zu verarbeiten. Aber sie schmiegt sich wunderbar an die Haut.«
    Er nahm eine lange Schere von einem kleinen Tisch, der neben einer alten Nähmaschine stand, die offenbar noch mit einem Fußpedal betrieben wurde. Er hielt ihr die Schere unter die Nase und grinste sie an. Judith schloss die Augen und holte tief Luft. Gabriel drehte sie um und schnitt die Handfesseln durch.
    »Zieh es an«, zischte er. »Ich weiß, wie das Zeug wirkt, dass ich dir gegeben habe. Man fühlt sich unbesiegbar. Aber glaub mir, das ist eine Täuschung.« Er zielte spielerisch mit der Spitze der Schere auf ihre Kehle. Offenbar war das seine Art Humor. Judith schluckte. Dann zog sie sich aus.
    Ein fiebriger Glanz trat in seine Augen, als sie sich das Kleid überstreifte. Es passte perfekt. Und es fühlte sich tatsächlich unglaublich weich an. Mit Grauen begann sie zu ahnen, dass jetzt der Moment nahte, da Gabriels Spielchen in bitteren Ernst umschlagen würden.
    Gabriel nahm einen Kabelbinder und fesselte ihre Hände, diesmal vor ihrem Bauch. Er zog so fest zu, dass das Plastik in ihre Haut schnitt und ihr das Blut abschnürte. Dann drückte er ihr einen Blumenstrauß in die Hand. Weiße Rosen. Sechs Stück.
    Dann öffnete er eine zweite Tür und Judith verschlug es den Atem.
    Gabriel hatte das Kellergewölbe mit roten Christbaumkugeln, Goldlametta und bunten Girlanden geschmückt. Unzählige weiße Kerzen flackerten. Auf einem kleinen Tisch, der von einem Laken bedeckt war, thronten eine Flasche Champagner und zwei Kristallgläser.
    Er drückte den Knopf einer Fernbedienung und sofort ertönte leise Orgelmusik, wahrscheinlich aus einer Anlage, die unter dem Tisch hinter dem Laken verborgen war.
    Gabriel hatte hier unten tatsächlich eine Art Hochzeitskapelle eingerichtet! Der Tisch war der Altar – und dasKleid ihr Brautkleid! In wildem Entsetzen wollte sie sich von ihm losreißen, schrie und trat um sich, doch Gabriel versetzte ihr einen so harten Schlag mit der flachen Hand, dass sie hinfiel. Er bückte sich nach dem zu Boden gefallenen Brautstrauß und drückte ihn ihr wieder in die gefesselten Hände. Dann riss er sie hoch.
    Er zwang sie, sich auf einen Stuhl vor den grotesken Altar zu setzen und band sie daran fest. Als sie sich nicht mehr rühren konnte, atmete er erleichtert aus. Dann stellte er sich hinter den Tisch, legte die Hände zusammen und führte die Fingerspitzen an sein Kinn.
    Eine Weile blickte er sie nur schweigend an, so als müsste er sich vergewissern, dass seine Entscheidung richtig war.
    Judiths Wange glühte noch immer von dem Schlag. Aber sie spürte keinen Schmerz. Denn ihre Angst war tausendmal mächtiger.
    »Es hat lange gedauert, bis ich mich dazu durchgerungen habe«, fing er an. »Ich habe gehofft und gebetet, dass du meine Liebe erwiderst. Heute musste ich feststellen, dass ich mich getäuscht habe. Ich kann dir einfach nicht vertrauen. Aber selbst dein Verrat kann meine

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