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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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war von Tuberkulose und Lungenkrebs zerfressen, als Lord Mountbatten, der letzte britische Vizekönig von Indien, sich damit einverstanden erklärte, dass Indien bei der Unabhängigkeit geteilt wurde. Später sagte er, hätte er gewusst, dass Jinnah nicht mehr lange am Leben bleiben würde, dann hätte er abgewartet. Pakistan hätte es dann nicht gegeben. Jinnah starb ja schon im September 1948 . Kaum drei Jahre danach wurde unser erster Premierminister ermordet. Wir waren von Anfang an ein Unglücksland.
    Einige von Jinnahs berühmtesten Reden konnte man in der Ausstellung nachlesen, wie jene, in der er davon sprach, dass Menschen aller Religionen im neuen Pakistan die Freiheit haben sollten, ihren Glauben zu praktizieren. In einer anderen Rede war er auf die Bedeutung der Frauen eingegangen. Ich wollte gern Bilder von den Frauen sehen, die in seinem Leben eine Bedeutung hatten. Doch seine Ehefrau, eine Parsin, war jung gestorben. Dina, ihre einzige Tochter, hielt sich in Indien auf und war mit einem Parsen verheiratet, der sich in unserem muslimisch geprägten Land nicht wohl fühlte. Mittlerweile lebt sie in New York. Und so bekam ich nur Fotos von seiner Schwester Fatima zu sehen.
    Es war schwer, an jenem Ort zu sein und diese Reden zu lesen, ohne sich Gedanken zu machen, dass Jinnah von Pakistan schwer enttäuscht sein würde. Er würde vermutlich wirklich sagen, dies sei nicht das Land, das er sich gewünscht hatte. Er wollte unsere Unabhängigkeit, er forderte von uns Toleranz, so sollten wir uns gegenseitig respektieren und achten. Jedermann sollte frei sei, ganz gleich, welchem Glauben er anhing.
    »Wäre es besser gewesen, wir wären nicht unabhängig geworden, sondern ein Teil von Indien geblieben?«, fragte ich meinen Vater. Vor der Gründung Pakistans hatte es endlose Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen gegeben. Doch auch als wir unser eigenes Land hatten, gab es noch Streit, nur diesmal zwischen Muhadschir und Paschtunen, zwischen Sunniten und Schiiten. Statt einander wertzuschätzen, fällt es unseren vier Provinzen mehr als schwer, miteinander auszukommen. Im Sindh spricht man viel von Abspaltung, und in Belutschistan herrscht Krieg, über den aber kaum berichtet wird, weil die Provinz so entlegen ist. Bedeuteten all diese Kämpfe, dass wir unser Land noch einmal würden teilen müssen?
    Als wir das Museum verließen, demonstrierten draußen junge Männer mit Fahnen. Wie sie uns erzählten, gehörten sie der Saraiki sprechenden Minderheit aus dem südlichen Punjab an und wollten ihre eigene Provinz.
    Mir schien, es gab sehr vieles, um das Menschen sich stritten. Wenn Christen, Hindus oder Juden tatsächlich unsere Feinde sind, wie so viele behaupten, warum bekämpfen wir Muslime uns dann untereinander?
    Unser Volk ist fehlgeleitet worden. Die Menschen halten die Verteidigung des Islam für ihr größtes Anliegen – und werden von Leuten wie den Taliban, die den Koran bewusst falsch auslegen, in die Irre geführt. Wir sollten uns lieber um praktische Aufgaben kümmern. So viele Menschen in unserem Land können nicht lesen und schreiben. Und vor allem die Frauen haben überhaupt keine Bildung genossen. Wir leben in einem Land, in dem Schulen in die Luft gesprengt werden. Wir haben keine zuverlässige Stromversorgung. Es vergeht kein einziger Tag, an dem nicht mindestens ein Pakistaner gewaltsam zu Tode kommt.
    ***
    Eines Tages tauchte eine Frau namens Shakeel Anjum in unserer Unterkunft auf, eine pakistanische Journalistin, die in Alaska lebt. Sie wollte mich treffen, nachdem sie auf der Website der
New York Times
die Dokumentation über mich gesehen hatte.
    Eine Weile unterhielt sie sich mit mir, dann mit meinem Vater. Irgendwann bemerkte ich, dass sie Tränen in den Augen hatte. »Wussten Sie, Ziauddin, dass die Taliban dieses unschuldige Mädchen bedroht haben?« Wir hatten keine Ahnung, wovon sie redete. Darum ging sie ins Internet und zeigte uns eine Seite, auf der zu lesen war, dass die Taliban zwei Frauen bedroht hätten – Shah Begum, eine Aktivistin in Dir, und Malala, also mich. »Beide verbreiten weltliches Denken und müssen getötet werden«, hieß es da. Ich nahm das nicht so ernst, weil man viel krudes Zeug im Internet findet. Wenn die Drohung ernst gemeint wäre, hätten wir sie sicher auch von anderer Seite gehört.
    An diesem Abend erhielt mein Vater einen Anruf von den Leuten, mit denen wir in den vergangenen 18 Monaten unser Heim geteilt hatten. Ihr Haus hatte ein

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