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Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Jaenicke
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»Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse,
aber nicht für jedermanns Gier.«
    Mahatma Gandhi

    »Dann müsste ich ja nackig rumlaufen«, sagte neulich eine junge Kollegin bei einer Drehpause, als sie erfuhr, unter welchen Arbeitsbedingungen ihr Lieblingslabel seine Textilien fertigen lässt und wie viele Schad- und Giftstoffe in herkömmlicher Kleidung stecken. Ich recherchierte gerade über die Praktiken der Textilindustrie. Sie zählte die Hersteller von Bluse, Jeans, Unterwäsche und Schuhen auf, die sie anhatte – und hob resigniert die Schultern. »Was kann man denn dann überhaupt noch kaufen?« Leider eine berechtigte Frage. Das vorliegende Buch ist ein Versuch, sie zu beantworten.

    Der Konsument, das ohnmächtige Wesen ... Können wir wirklich nichts mehr kaufen, essen, anziehen, ohne unsere Gesundheit oder Umwelt zu gefährden und die Machenschaften von skrupellosen Konzernen und deren Managern zu unterstützen? Immerhin werden wir fast täglich mit neuen Enthüllungen in sämtlichen Bereichen unseres Alltags konfrontiert: giftige Bio-Eier, Pferde-Lasagne, Uran im Trinkwasser, toxisches Antimontrioxid in Bratschläuchen und Plastikbackformen, gentechnisch manipulierte Lebensmittel, tierisches Bindegewebe in Multivitaminsaft, problematische Zusatzstoffe in Bio-Lebensmitteln,
Fleisch von krankgezüchteten Tiermutationen, Bio-Körner aus China, Pseudo-Siegel und gefälschte Kundenbewertungen, Kinder- und Sklavenarbeit, ein von Lobbyisten infiltriertes Verbraucherschutzministerium, besser Verbraucherverschmutzungsministerium genannt, käufliche NGOs à la WWF, großzügige Steuergeschenke für Großkonzerne wie Google, Apple, Starbucks und, und, und. Großartig, könnte man meinen, dann wissen wir doch wenigstens jeden Tag ein wenig genauer, woran wir sind. Doch unser Vertrauen in Industrie, Medien und Politik wächst dadurch sicher nicht. Was wächst, sind höchstens Verunsicherung, Irritation und Misstrauen. Nicht zuletzt angesichts der engen Verflechtung der einzelnen Industrien untereinander: Kosmetik – Kunststoff – Lebensmittel – Pharma; Auto – Energie – Banken; Medien – Kosmetik ... da capo al fine ... sowie aller Industrien wiederum mit Medien und Politik. Und mittendrin wir, die Verbraucher, Kunden, Patienten und Wähler, um die so hart gefeilscht und geworben wird. Von allen Seiten, Wänden und Bildschirmen springen sie uns an, die Lockmittel und Kaufanreize, die glücksverheißenden Konsumangebote. Und wenn nötig, werfen die Konzerne dafür auch sämtliche ethisch-moralischen Werte über Bord ... Aber es ist wie immer und überall im Leben: Ausgestreckte Zeigefinger und Schuldzuweisungen helfen nichts. Verantwortlich für diese Entwicklung ist die fatale Liaison von Geiz (der Konsumenten) und Gier (der Industrie) in unserer Gesellschaft. »Ohne es zu merken, (...) sind wir von einer Marktwirtschaft in eine Marktgesellschaft geschlittert«, sagte der amerikanische Philosoph Michael J. Sandel kürzlich in einem SPIEGEL-Interview. 1 Für Sandel ist »die moralische Leere der gegenwärtigen Politik« ein wesentlicher Faktor für »den spürbaren Rückgang der Sorge um das Allgemeinwohl«. Zählt für den Einzelnen wie für die Industrie tatsächlich nur noch der
Gewinn? Zweifellos müssen Unternehmen Gewinne anstreben und machen, sonst würde unsere Wirtschaft kollabieren. Doch ohne moralisch-ethische Grenzen kollabiert jede soziale Gemeinschaft. Und inzwischen scheint »Gewinnmaximierung um jeden Preis« das Credo der Zeit zu sein. Ob durch Augenwischerei, Greenwashing, Schönfärberei, Fehlinformation, Heimlichtuerei, Sponsoring oder schlicht und einfach Betrug – die Industrie und ihre Lobbyisten spielen ihre Marktmacht gnadenlos aus, immer im Sinne des einen großen Zieles: Profit. Moral, Mitgefühl und soziales Gewissen bleiben viel zu oft auf der Strecke oder werden bewusst ignoriert, weil sie gemeinhin als ökonomische Bremsen gelten. Welche Rolle Parteispenden in diesem Machtpoker spielen, sei mal dahingestellt. Bemerkenswert ist aber, dass die Einzelspenden über 50.000 Euro (erst ab dieser Höhe werden sie veröffentlicht, z. B. auf www.bundestag.de ) im Jahr 2012 vor allem von der Automobil-, der Metall-/Elektro- und der Bekleidungsindustrie kamen. Korruption, mangelnde Transparenz und Lobbyismus halten treu Händchen und bilden somit einen teuflischen Dreier, dem dringend das Handwerk gelegt werden sollte. Doch die schwarz-gelbe Bundesregierung sperrt sich nach wie vor

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