"ich lerne: gläser + tassen spülen": Briefe 1923?1956 (German Edition)
1
Bin verzehrt von Arbeit
Komplotten, Dummheit, Kämpfen
usw
Wenn irgend möglich, mußt Du 2 Tage kommen
Nächste Woche etwa
Inzwischen mußt Du Deine Haare mit Lavendel
waschen
Daß sie riechen .
(Ich bin Dir sehr gewogen)
b
Mit Bi 2 telefoniere ich morgen
1
Offenbar hat Helene Weigel auf dem Weg vom Bodensee nach Berlin Brecht in Augsburg besucht.
2
Abkürzung für Bittersweet (auch Bi oder Bie): Kosename für Paula Banholzer, Brechts Jugendliebe und Mutter seines ersten Sohnes Frank, der am 30. Juli 1919 geboren wurde.
10 Postkarte, 27. August 1924; A: Bahnpost, verm. München – Augsburg, E: Berlin, Spichernstr. 16, Atelier, hs. (Privatbesitz)
Liebste Helle,
ich habe Dich 2x angerufen, auch abends. Wo steckst Du? Ich komme nur langsam vorwärts, es ist, als hätte ich mutterseelenallein das ganze Versailles auszubaden. Was sagte Lipmann? 1 Wie geht es Dir? Gehst Du noch einmal fort? Diese Langeweile!
Wirst Du dicker? Das freut mich.
Was tut mein Atelier? 2 Wenn es da ist, komme ich.
Ich küsse Dich
b
Schreib!
1
Heinz Lipmann, leitender Dramaturg am Staatlichen Schauspielhaus in Berlin, vgl. Brief Nr. 12.
2
Weigel hat sich bereit erklärt, sobald ihr Kind geboren ist, die Atelierwohnung in der Spichernstraße 16 für Brecht zu räumen.
Am 1. September 1924 zieht Brecht endgültig nach Berlin um und tritt eine Stelle als Dramaturg am Deutschen Theater an. Marianne und Hanne bleiben vorerst in München. Brechts und Weigels gemeinsamer Sohn Stefan wird am 3. November 1924 geboren. Weigel übernimmt wieder Rollen, im Februar 1925 überläßt sie Brecht schließlich die Atelierwohnung in der Spichernstraße. Ab Juni hält sie sich in München auf, wo sie bis zum 17. Juli für ein Gastspiel mit »Woyzeck« in den Kammerspielen auf der Bühne steht. Bei einem Aufenthalt in Augsburg muß sie sich einer Operation unterziehen.
13 Mitte Juni 1925; A: Berlin, E: München, masch. (Privatbesitz)
Liebe Helli,
hier läuft alles langsam und zäh und breiig
Step 1 geht es gut Er sieht zufrieden und dick aus lächelt aber nie Er ist sehr streng aber gerecht Seine Zähne holt er mit allem was ihm in die Hand kommt heraus Brüllen kann er furchtbar und verfressen ist er unsäglich
Was ist mit Falckenberg Riewe usw 2
Kannst Du nicht ein paar Mal die Cressida spielen? 3 Das wäre wichtig
Bitte schreib mir
Was tust Du immer Wo wohnst Du Wo ißt Du Wie arbeitest Du
b
1
Stefan Weigel, den Brecht meist Steff, manchmal auch Step nennt.
2
Otto Falckenberg, Direktor der Münchener Kammerspiele. Erich Riewe spielt 1924 den Gaveston in der Uraufführung von Leben Eduards des Zweiten von England .
3
Ein Gastspiel Helene Weigels in Shakespeares Troilus und Cressida kommt nicht zustande.
14 Mitte/Ende Juni 1925; A: München, E: Berlin, masch. (Privatbesitz)
Liebe Helli
es ist schwer zu schreiben wenn man in einen ganzen Sumpf von Verdrossenheit geraten ist Ich habe unendlichen Ärger mit dem Auto gehabt und es ist noch immer nicht fertig Auch wird das Geld nicht ausreichen Ich denke Montag oder Dienstag nach Wien zu fahren aber es ist so spät geworden daß ich jetzt kaum schon wieder mit Dir zurück kann Das Auto hoffe ich in 10 Tagen wenn ich die Rechnung die immer noch nicht ganz feststeht bezahlen kann zu bekommen Es wäre nett wenn Du Dich erkundigen könntest was die Prüfung in Wien kostet und ob ich sie dort machen darf Hier ist es teuer und ich könnte vielleicht dort billiger wegkommen 1
Hier habe ich mit viel Nikotin wenige Sonette hergestellt 2 Die Langeweile ist entsetzlich und dabei hält mich ein katastrophaler Geldmangel von allem ab auch davon bald nach Wien zu gehen Aber nächste Woche macht mein Vater urlaubshalber hier zu und da muß ich weg
Ich freue mich sehr auf Dich
bert
Laß Dir von dem Brief nicht den Rest von Laune verderben den mein Schweigen Dir gelassen hat Aber jetzt ist Orge 3 nach Paris weg Die Leihbibliotheken sind ausgelesen Mein Gehirn ist der Arbeit mich zu unterhalten nicht mehr entfernt gewachsen Wenn ich 2 Selbste hätte würde ich eines ermorden
1
Vermutlich eine Fahrzeuginspektion.
2
Um diese Zeit entstehen u. a.: Sonett , Die Opiumraucherin , Sonett über schlechtes Leben , Entdeckung an einer jungen Frau , Forderung nach Kunst , Sonett für Trinker und Sonett vom Sieger
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