Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
sichtbar wurde, dass Krug den Kürzeren ziehen würde. Er habe Krug die Freundschaft gekündigt, der Krug sei bei ihm unten durch, »mit dem nicht mehr«, hörte man in Schiedsrichterkreisen Fandel jetzt häufiger sagen. Das muss sich dann aber schlagartig mit der Bestellung Krugs zum mächtigen Berater für das Schiedsrichterwesen bei der DFL geändert haben, denn danach erweckten beide rasch wieder den Eindruck, keine Probleme miteinander zu haben und vielmehr persönlich gut miteinander auszukommen.
Eigentlich hatte Fandel nie wie jemand gewirkt, der vorhatte, Roths Nachfolger zu werden. Fandel sagte immer, er wolle den Job nicht, weil er zu schlecht bezahlt sei, er habe Familie, da müsse das Gehalt stimmen. Irgendetwas muss hier passiert sein, dass Fandel dann trotzdem den Job von Volker Roth übernahm. Plötzlich sah man Fandel und Krug wieder im vertraulichen Zwiegespräch. Und irgendwie schienen sie auch sonst wieder »ziemlich beste Freunde« zu sein, wobei der Krug den Fandel durch die Gegend schob. Wahrscheinlich hatten die beiden Karrierestrategen entdeckt, dass sie einander brauchen würden, um die Dinge im DFB nach ihren Vorstellungen zu verändern. Über Fandel konnte Krug nun, falls er das wollte, aus dem Hintergrund im bisher von Roth abgeschotteten Bereich der DFB-Schiedsrichter die Strippen im Sinne der Liga ziehen – und Fandel über Krug, was er letztlich auch erreichte, via DFL für die passenden Gehaltsstrukturen im gesamten Schiedsrichterwesen sorgen. Eigentlich sind derartige Einflussnahmen der Liga nicht vorgesehen, denn Deutschland unterliegt der UEFA-Konvention, die eine klare Trennung zwischen den Vereinen und der Schiedsrichterorganisation vorsieht. Diese Gewaltenteilung ist sinnvoll, denn schließlich sollen Schiedsrichter unabhängig und ohne Einflussnahme von außen das Spielgeschehen leiten. Würden die Schiedsrichter über die DFL direkt von den Vereinen angestellt und bezahlt, müssten sie vermutlich – sprichwörtlich – nach deren Pfeife tanzen. Genau deshalb sieht die UEFA-Konvention eine Trennung vor.
Unter diesem Gesichtspunkt erschien es vielen von uns seltsam, dass ein bei einem Unternehmen wie der Deutschen Fußball Liga GmbH an gestellter »Berater« für das Schiedsrichterwesen wie Hellmut Krug gleich zeitig auch als Mitglied der DFB-Schiedsrichterkommission über das be rufliche Schicksal der Schiedsrichter mitentscheiden durfte. Schon damals gab es den wiederholt von DFL-Vorsitzenden Christian Seifert geäußerten Wunsch, den Komplex der Schiedsrichter im Profifußball aus dem DFB zu lösen und in eine neu zu gründende Tochtergesellschaft unter je 50-prozentiger Leitung von DFL und DFB zu überführen – angeblich, um die Professionalisierung besser vorantreiben zu können. Die Notwendig keit schien kaum jemandem plausibel, zumal das deutsche Schiedsrichterwesen ohnehin zu den weltweit modernsten gehört. Es sei denn, Geld und Einfluss würden eine genauso große Rolle spielen. Dazu kam es bis heute nicht, einerseits wegen der UEFA-Konvention, andererseits aber auch, weil es vielleicht gar nicht mehr notwendig ist, da mit Krug im Spitzengremium der Schiedsrichter und Fandel als Sidekick die Macht frage im Sinne der DFL endlich gelöst scheint. Fandels und Krugs Macht übernahme war in meinen Augen der vorläufige Höhepunkt atemloser Indiskretionen, Intrigen und Machtspiele im DFB. Auch der wegen seines Krisenmanagements heftig kritisierte DFB-Präsident Theo Zwanziger wollte, dass endlich Ruhe einkehrte. Damals ahnte ich noch nicht, was Roths unwürdiger Abgang für mich bedeuten würde. Einerseits hatte ich mich mit Fandel immer gut verstanden. Jeder wusste aber, wie loyal ich Roth gegenüber eingestellt war. Ich spürte nunmehr das Misstrauen Fandels auf der einen und auf der anderen Seite, bei der Deutschen Fußball Liga, die von mir als solche empfundene unerbittliche Gegnerschaft Hell mut Krugs. Ich steckte plötzlich zwischen zwei gewaltigen Mühlsteinen.
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In diesem Machtvakuum kamen nun alle Schiedsrichter zum ersten Mal nach dem Führungswechsel wieder im Sommerlager 2010 zusammen. Fandel stand im schwarzen Trainingsanzug vor uns und nahm als neuer Schiedsrichterobmann die Leistungsprüfung ab. Was mir sofort auffiel: Das Verhältnis von Fandel zu mir hatte sich abrupt geändert. Da war nichts Freundschaftliches mehr – sondern nur noch kühle Geschäftsmäßigkeit. Mein neuer Chef, den ich auf vielen Spielen begleitet hatte und mit dem
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