Ich und er und null Verkehr
wir Thomas danach gehörig die Leviten gelesen und seine
»Wundercreme« konfisziert haben.
Und so geht es jeden Tag in unserem Kindergarten, wobei da oft noch
viel schlimmere Dinge passieren: Frische Tinte auf den Sesseln zum Beispiel
(vorzugsweise auf denen der Kindergärtnerinnen, bevor die sich setzen wollen),
Spucke an den Türgriffen (meistens, wenn wir gerade im Begriff sind, den Raum
zu betreten), verstopfte Toiletten (gerne auch mal mit meiner Handtasche), und,
und, und.
Aber was rege ich mich eigentlich auf? Ist ja vielleicht schon bald
Vergangenheit für mich. Abgehakt. Schnee von gestern. Gar nicht mehr der Rede
wert.
Wenn Dr. Baumann mich und meine Ideen sympathisch findet.
Wenn die mein Buch herausbringen.
Wenn es ein Erfolg wird.
Als mir die Bedeutung dieses Augenblicks bewusst wird, macht mein
Magen einen nervösen Hüpfer, und ich spüre förmlich, wie mein Herz in die Hose
plumpst.
Was mache ich hier überhaupt?
Ich habe doch gar keinen Termin bei Dr. Baumann, sondern bloà eine
freundliche Aufforderung erhalten, den Rest des Manuskriptes vorbeizubringen.
Oder zu schicken.
Was, wenn dieser Mann ein befehlsgewohnter Choleriker ist, der es
ganz und gar nicht leiden kann, wenn so ein dahergelaufenes Würstchen von einer
Möchtegernschriftstellerin groÃspurig bei ihm zur Tür reinschneit und ihn bei
wichtigen Dingen stört, bei einem Telefonat mit Stephen King zum Beispiel oder
Ãhnlichem?
Puh. Warm ist es hier. Wie halten die das bloà aus?
Ich merke, dass ich zu schwitzen beginne, dabei schwitze ich
normalerweise nie.
Ich dumme Gans. Hätte ich mich bloà vorher mit Martin abgesprochen!
Er ist schlieÃlich Rechtsanwalt, er weiÃ, wie man mit Leuten wie Baumann redet,
er hätte mir sagen können, wie man derart heikle Verhandlungen führt.
Aber wie hätte ich das tun sollen? Er war doch den ganzen Tag nicht
erreichbar. Ich habe es immer wieder versucht, seit ich den Brief erhalten
habe, zuerst in der Kanzlei, wo es hieÃ, er sei in einer wichtigen Besprechung,
und dann auf seinem Handy, wo er nicht abnahm. Wegen seiner wichtigen
Besprechung, wie ich vermute.
Eine spontane Eingebung sagt mir plötzlich, dass ich schleunigst von
hier abhauen sollte. Mein Manuskript auf Frau Kränzleins Tisch hauen und mit
irgendeiner Ausrede das Weite suchen, nur schnell weg.
Aber was für ein Bild würde das denn abgeben?
Bloà keine Panik, Sandra, rede ich mir selbst gut zu. Nur jetzt
nichts falsch machen. Die Sache ist einfach zu wichtig, um sie zu vermasseln.
Und bis jetzt läuft es doch eigentlich ganz gut. Frau Kränzlein
tippt auf ihrer Tastatur herum und wirft mir zwischendurch immer wieder
verstohlene Blicke zu. Und was bedeutet das? Sie signalisiert Interesse an mir,
und Interesse ist gut.
Ich zupfe ein paar Fussel von meinem ⦠na ja, eigentlich Susis Rock
(seltsam irgendwie, dass wir dieselbe KleidergröÃe haben, wo sie doch fast zehn
Zentimeter gröÃer ist als ich), und setze mich dann so aufrecht wie möglich
hin, um damit innere Disziplin zu signalisieren. Passend dazu richte ich die
Aktentasche kerzengerade neben mir aus.
So, was könnte ich jetzt noch tun, um intelligent zu wirken?
Ach ja, intelligent gucken.
Wie guckt man eigentlich intelligent?
Ernst, so viel ist schon mal klar. Aber auch nicht zu ernst, denn
das würde vielleicht auf Kosten der Sympathie gehen.
Ein bisschen Lockerheit könnte nicht schaden. Ich schlage lässig ein
Bein über das andere. Das bringt zusätzliche Punkte bei Dr. Baumann. Wenn man
ein Bein über das andere schlägt, wirken die Beine nämlich länger, habe ich
gelesen. Andererseits, durch den Minirock sieht man auch so schon eine Menge
Bein.
Was hat Susi gesagt?
Verführerisch, aber nicht nuttig.
Also stelle ich das rechte Bein wieder parallel neben das andere und
streiche den Rock darüber glatt.
Täusche ich mich, oder wirken meine Beine jetzt plötzlich fett?
Oje, Fett ist schlecht, ganz schlecht. Ich weiÃ, was ich mache: Ich
lege einfach den Aktenkoffer darüber.
Hm. Jetzt sieht man aber fast gar nichts mehr von meinen Beinen.
Verdammt, wie lange dauert das denn hier noch? Und eine trockene
Luft haben die in dieser Bude. Ich habe plötzlich riesigen Durst, und meine
Lippen fühlen sich ganz spröde an. Ganz beiläufig angle ich den Lipgloss aus
meiner Handtasche und streiche damit über meinen
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