Ich will doch nur küssen
Untergang der Mächtigen den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
»Tja, ich schätze, man sieht sich.« Faith öffnete die Tür und stieg aus.
Sie steuerte geradewegs auf den Coffeeshop zu, denn sie musste jetzt dringend etwas anderes riechen als Ethans männlichen, sinnlich-erregenden Duft. Vor zehn Jahren hatte er mehr von ihr haben wollen als nur einen Kuss, und er hatte damit bei ihr ein Verlangen geweckt, für das sie mit sechzehn noch viel zu jung gewesen war. Sie hatte ihn begehrt, auf eine Weise, die alles bisher Erlebte in den Schatten gestellt hatte. Er hatte nicht geahnt, wie viel ihr sein Kuss bedeutet hatte – obwohl ihr sonnenklar gewesen war, dass sie für ihn nur ein weiteres Mädchen in seiner Sammlung war.
Aber das war lange her. Mittlerweile war sie erwachsen, und sie war sich der Reaktion ihres Körpers auf ihn voll und ganz bewusst. Allerdings befand sie sich gerade an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie sich wohl lieber erst einmal um sich selbst kümmern sollte, ehe sie sich mit einem Mann einließ. Besonders mit einem Mann, der so unglaublich starke Gefühle bei ihr auslöste.
Kapitel 2
Es gab einen Grundsatz in Faiths Leben, der sich in den letzten Jahren oft genug bewahrheitet hatte: Ein perfekter Latte macchiato machte selbst den schlimmsten Tag erträglicher. Heute bestellte sie sich allerdings die eisgekühlte Variante. Sie brauchte dringend etwas Abkühlung – nicht nur wegen der Außentemperaturen, sondern auch, weil ihr Ethan derart eingeheizt hatte.
Sie war froh, dass sie die Kellnerin hinter dem Tresen nicht kannte, denn das bedeutete, dass sie sich nicht mit einer der diversen Begrüßungsformen auseinandersetzen musste, mit denen sie sich seit ihrer Rückkehr nach Serendipity immer wieder konfrontiert sah. Das Spektrum reichte von herzlichen Umarmungen bis hin zu Verachtung oder Spott, je nachdem, wie sie früher zu dem betreffenden Menschen gestanden hatte und ob ihr Vater dessen Vertrauen auf irgendeine Art missbraucht hatte.
Faith nahm ihr kaltes Getränk und setzte sich damit an einen der kleinen Tische im hinteren Teil des Cafés, um dort auf Kate Andrews zu warten, die seit dem Kindergarten ihre beste Freundin war. Kate war der einzige Mensch, mit dem Faith die gesamte Studienzeit über und auch während ihrer ziemlich einsamen Ehe in Kontakt geblieben war. Kate war auch der einzige Mensch auf der Welt, dem Faith vertraute, seit sich die Welt, in der sie bisher gelebt hatte, als Fassade entpuppt hatte.
Faith hatte den Kaffee bereits zur Hälfte geleert, als Kate keuchend, aber wie üblich gut gelaunt hereinstürmte. »Entschuldige die Verspätung. Mein Zahnarzttermin hat länger gedauert als erwartet.«
Faith lachte. »Deine Termine dauern immer länger als erwartet.« Kate würde wohl nie lernen, Zeitpuffer einzuplanen.
Kate grinste. »Und du liebst mich trotzdem.«
»Stimmt, und das weißt du auch.« Zum ersten Mal seit der Begegnung mit Ethan spürte Faith, wie sie sich etwas entspannte. »Schön, dass du überhaupt so spontan kommen konntest.«
»Das beruht auf Gegenseitigkeit«, sagte Kate und wandte dann den Kopf, sodass ihr kastanienbrauner Pferdeschwanz durch die Luft wirbelte. »Hallo?« Sie winkte einer Angestellten, um sich bemerkbar zu machen.
»Einen Augenblick!«, rief die Frau hinter dem Tresen.
Es war nicht dieselbe, die Faith bedient hatte, sondern Elisabetta Gardelli, eine ihrer Highschool-Mitschülerinnen. Elisabetta, genannt Lissa, war ein Jahr älter als sie und hatte reiche Mädchen wie Kate und Faith immer gehasst.
»Was machst du denn?«, zischte Faith.
»Moment, ja?« Kate wartete, bis Lissa herüberschaute, dann rief sie: »Für mich das Übliche bitte!«
»Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du wirst dich schon zum Tresen begeben müssen, um zu bestellen«, flüsterte Faith.
Doch zu ihrer Überraschung rief Lissa: »Kommt sofort!«
Kate lehnte sich mit einem selbstgefälligen Gesichtsausdruck zurück. »Schlange stehen muss man in Manhattan. Hier reicht es, wenn man jemanden kennt, und wenn du wie ich die Stadt nie verlassen hast, kennst du sowieso jeden .« Sie grinste.
»Aha. Wieder was gelernt.«
Im Gegensatz zu Faith, die ins nahe gelegene New York gezogen war, um zu studieren, hatte Kate es vorgezogen, daheimzubleiben, obwohl ihre Familie es sich durchaus hätte leisten können, ihr ein Studium auswärts zu finanzieren. Doch Kate gefiel es hier. Sie hatte an der Universität vor Ort ihre Lehrerausbildung
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