Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 - 1945.
Schweitenkirchen und München nach Unterbernbach (12. April). Rückkehr über München, Regensburg und Falkenstein nach Dresden (10. Juni). Austritt aus der evangelischen Kirche
1945–1947 Wiedereinsetzung als ordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Dresden
1947 LTI (Lingua Tertii Imperii). Notizbuch eines Philologen
1947–1948 Ordentlicher Professor an der Universität Greifswald
1948–1960 Ordentlicher Professor an der Universität Halle
1950 Rückkehr in sein Haus in Dölzschen
1951 8. Juli: Tod von Eva Klemperer. Dr. h. c. paed. der Technischen Hochschule Dresden
1951–1955 Ordentlicher Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin 1952 Heirat mit Hadwig Kirchner. Nationalpreis der DDR III.Klasse für Kunst und Literatur
1953 Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
1954 Geschichte der französischen Literatur im 18. Jahrhundert . Band 1: Das Jahrhundert Voltaires
1956 Vor 33 / nach 45. Gesammelte Aufsätze. Vaterländischer Verdienstorden in Silber
1960 11. Februar: Victor Klemperer stirbt in Dresden
1966 Geschichte der französischen Literatur im 18. Jahrhundert . Band 2: Das Jahrhundert Rousseaus
1995 Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten . Tagebücher 1933–1945. Geschwister-Scholl-Preis der Stadt München (posthum)
NACHWORT
»Mein Deutschtum wird mir niemand nehmen«
D ie Nacht, in der Zehntausende sterben mussten, rettete Victor Klemperer das Leben. Britische Bomber hatten am späten 13. und frühen 14. Februar 1945 das historische Zentrum Dresdens nahezu vollständig zerstört und damit auch die lokalen NS-Behörden ins Chaos gestürzt. Im Morgengrauen, inmitten der rauchenden Trümmer, »riss« Klemperers Ehefrau Eva »mit einem Taschenmesserchen die Stella von meinem Mantel«, wie der Gelehrte in seinem Tagebuch notierte.
Mehr als drei Jahre lang hatte der gelbe Judenstern seinen Träger als minderwertigen, ja schädlichen Zeitgenossen gekennzeichnet – nun wagte sich der einst so angesehene Professor für Romanistik an der Technischen Hochschule Dresden wieder ohne den Stern auf die Straße. Während er am Vortag noch von der Deportation in ein Konzentrationslager bedroht war, hatten die städtischen Amtsträger des Regimes jetzt dringendere Aufgaben: Dresden lag in Schutt und Asche, Verschüttete sollten gerettet, Leichen mussten geborgen und verbrannt werden.
Dass er das »Dritte Reich« überleben würde, daran hatte Klemperer in den Jahren zuvor kaum noch geglaubt. Zu erfolgreich schien zunächst Hitlers Kriegsmaschine, zu barbarisch gingen SS und Gestapo gegen die letzten noch im Reich lebenden Juden vor. Nur seine Ehe mit einer Nichtjüdin schützte ihn, mit Eva, die trotz aller Pressionen zu ihm hielt.
Victor Klemperer hat Jahrzehnte lang Tagebuch geführt, auch und gerade in der dramatischen Zeit zwischen 1933 und 1945. Als der Berliner Aufbau-Verlag ein halbes Jahrhundert später unter dem Titel »Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten«,einem Klemperer-Zitat, eine erste Edition dieser Aufzeichnungen veröffentlichte, erlebte der deutsche Buchmarkt eine Sensation: Obschon fast 1700 Seiten stark und nur in zwei schweren Bänden erhältlich, wurde aus den Tagebüchern des damals völlig vergessenen Wissenschaftlers ein Bestseller.
Der Erfolg ist nicht nur den durchweg begeisterten Rezensenten zu verdanken – »das Ereignis in diesem Bücherherbst« (»Süddeutsche Zeitung«), »eine Quelle von einzigartigem Rang« (»Die Zeit«), »einmalig und unschätzbar für die Kenntnis dieser zwölf Jahre« (»Die Welt«) –, sondern auch und vor allem den Tagebüchern selbst, ihrer Beobachtungsschärfe, ihrer sprachlichen Präzision: Qualitäten, die das literarische Publikum sofort überzeugten.
Klemperer schickt seine Leser auf eine ganz private und doch höchst politische Zeitreise durch die NS-Diktatur. Anders als der Autor kennen sie allerdings das bittere Ende. Während Victor Klemperer etwa in den Anfangsjahren nur spekulieren kann, dass Adolf Hitlers Antisemitismus in einem Desaster für alle Deutschen enden werde, wissen die Nachgeborenen heute, wie hellsichtig diese Prognose war.
Dieser Wissensvorsprung ist der Spannung keineswegs abträglich, im Gegenteil: Jedes Fünkchen Hoffnung löst auch beim Leser noch fünfzig oder sechzig Jahre später die irrationale Hoffnung aus, dass es doch noch anders kommen möge, dass die Folge von Erniedrigungen und Misshandlungen, die der jüdische Gelehrte erdulden musste, überraschend enden
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