Idol
waren bereits vom Leben zum Tode befördert worden, als der Henker den Bargello aufsuchte und um eine
zweitägige Ruhepause bat.
|464| »Eine Ruhepause?« fragte der Bargello. »Warum denn das?«
»Verzeiht, Signor Bargello«, antwortete der Henker mit gesenktem Kopf, »wenn meine Empfindlichkeit Euch mißfällt, aber ich
bin des vielen Blutes überdrüssig. Und das Volk ebenfalls. Gestern hat man mich ausgepfiffen.«
Die Richter traten erneut zusammen und beschlossen, die übrigen Verbrecher zu hängen. Während ihrer langwierigen Beratung
gelang es einem der Verurteilten, nachzuweisen, daß er an dem Massaker im Palazzo Cavalli gar nicht beteiligt sein konnte,
weil er an jenem Abend in Angelegenheiten seines Herrn in Venedig war. Schon unter dem Galgen, die Schlinge um den Hals, erreichte
er seine Begnadigung.
Noch ein Wort zu den beiden Überlebenden aus dem Palazzo Cavalli, Marcello Accoramboni und Caterina Acquaviva.
Accoramboni wurde, nachdem er von seiner Wunde genesen war, ein neuer Mensch. Er verzichtete auf seinen Anspruch, als Adliger
zu gelten, und legte Degen und Dolch ab. Er heiratete Margherita Sorghini. Als frommer Christ kam er regelmäßig seinen religiösen
Pflichten nach. Und was er noch nie getan hatte, tat er jetzt: er arbeitete. Mit Hilfe eines von seiner Gattin ihm gewährten
Darlehens gründete er – wie weiland sein Großvater – eine Majolikamanufaktur, und weil es dafür keine Konkurrenz in Padua
gab, ging sie sehr gut und machte ihn bald zu einem unserer Honoratioren. Der Mann hat jedoch ein seltsames Wesen, weswegen
er nicht so beliebt ist, wie er es nach seinen Qualitäten und seiner Arbeit verdient hätte. Er ist schweigsam, lächelt nie,
und seine Augen blicken leer.
Caterina Acquaviva sprach nach ihrer Übersiedlung in das Haus des Bargello anfangs ernsthaft davon, sich in ein Kloster zurückzuziehen,
was etwas verwunderlich schien – so, wie sie beschaffen war. Der Bargello hat sie offenbar umzustimmen vermocht, denn sie
blieb in seinen Diensten. Böse Zungen sagten voraus, sie würde Schande über ihn bringen. Aber das hat sich nicht bewahrheitet.
Sie hielt das Haus des Bargello in Ordnung und war den Kindern, die er ihr machte, eine liebevolle Mutter.
Auf seine Bitte hin wurde dem Heiligen Vater das Brustkreuz, das er seiner Nichte geschenkt hatte, zurückgegeben. Aus seiner
Privatschatulle entschädigte er Giuseppe Giacobbe für die zwanzigtausend Dukaten, die dieser dem Grafen darauf |465| geliehen hatte. Einige Leute in Rom murrten, der Papst übertreibe mit seiner Ehrlichkeit, zumal es sich doch nur um einen
Juden handle. Andere jedoch – darunter auch ich – gaben Sixtus V. recht. Wenn das Oberhaupt der Christenheit nicht mit gutem
Beispiel vorangeht, wer soll es dann tun?
In Venedig und Rom, ja in ganz Italien fand man, ich hätte die Untersuchung in dieser unglückseligen Angelegenheit geschickt
und umsichtig geführt. Allerdings wurden in Padua selbst – sogar im Stadtrat! – Stimmen laut, die mich tadelten, weil ich
Lodovico nicht verbannt hatte, als er das Testament verbrannte. Doch ich brachte sie sehr schnell damit zum Schweigen, daß
ich die Kopie eines Schreibens an die Serenissima verlas, in dem ich am Tag nach jenem Vorfall die Verbannung des Banditen
verlangt hatte. Ich verlas auch das Antwortschreiben, in dem Venedig aus triftigen Gründen, die hier nicht genannt werden
können, diesen meinen schriftlichen Antrag abgelehnt hatte. Die gleichen Störenfriede äußerten nun Zweifel an Venedigs Politik,
doch ich gebot ihnen zu schweigen. Meine Standfestigkeit in diesem Fall wurde allgemein gelobt.
Mein Mandat als höchster Beamter der Stadt läuft in drei Monaten ab, doch vermutlich werde ich ohne Schwierigkeiten wieder
zum Podestà gewählt. Ich weiß nicht, ob ich mir dazu gratulieren soll, denn obwohl ich meine Beliebtheit unter meinen Mitbürgern
zu schätzen weiß, bin ich der Bürde dieses Amtes mitunter überdrüssig.
Um nochmals auf diese unglückselige Angelegenheit zurückzukommen: sie enthält Lehren, die man als sehr beachtlich ansehen
könnte, wenn sie nicht gleichzeitig von beachtlicher Fragwürdigkeit wären.
Das Legat, mit dem Fürst Orsini die Zukunft seiner jungen Witwe sichern wollte, kostete sie das Leben. Graf Lodovico, der
Gunst und Geldzuwendungen des Fürsten Virginio erringen wollte, erntete für seine Missetat nur den Tod – welcher ihn sehr
bald ereilte, nachdem er
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