Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
Böden all dessen, was man darüber errichtet hatte, und war daher uneben und unregelmäßig. Das Management hatte das Ganze irgendwann schwarz gesprüht, und Chevette wäre der fliegende Kameraträger vielleicht gar nicht aufgefallen, wenn der Mylar-Ballon nicht das Bühnenlicht eingefangen und reflektiert hätte. Er wurde eindeutig von jemandem gesteuert; es sah aus, als würde er sich nach vorn schieben, um eine Nahaufnahme von Creedmore zu machen. Dann erspähte Chevette zwei weitere silberne Ballons; sie parkten in einer Art Höhlung, die von einer Unregelmäßigkeit in den Böden darüber herrührte.
Tessa hatte also offenbar jemanden dazu gebracht, sie zum unteren Ende der Folsom zurückzufahren, dachte sie. Und anschließend war sie wieder hierhergefahren oder getrampt. (Chevette war ziemlich sicher, dass Tessa nicht zu Fuß gegangen war, jedenfalls nicht mit den Ballons.) Hoffentlich Letzteres, denn sie hatte absolut keine Lust, nochmal einen Platz für den Van zu suchen. Was immer Tessa hier vorhatte, sie würden später einen Schlafplatz brauchen.
Creedmores Song endete mit einer Art Jodelschrei voller hirnloser Aufsässigkeit, der von der Netzkappenmenge zu
einem furchterregenden Gebrüll verstärkt zurückgeworfen wurde.
Die Begeisterung versetzte Chevette in Erstaunen – nicht sosehr, dass sie Creedmore galt, als vielmehr dieser Art von Musik. Aber Musik war in der Hinsicht immer komisch; die Leute standen auf allen möglichen Scheiß, und wenn man genug in einer Bar zusammenbekam, konnte man sich vermutlich recht gut amüsieren. Sie drängte sich noch immer durch die Menge, wehrte hin und wieder eine zielstrebige Hand ab, suchte Tessa und hielt Ausschau nach Carson, als Creedmores Freundin Maryalice sie entdeckte.
Maryalice hatte offenkundig noch ein bisschen mehr von ihrer Oberweite freigelegt und bot dem Auge nun wirklich eine üppige Pracht dar. Sie sah richtig glücklich aus, jedenfalls so glücklich, wie man aussehen kann, wenn man gründlich abgefüllt ist, was sie eindeutig und unübersehbar war.
»Schätzchen!«, rief sie und packte Chevette an den Schultern. »Wo hast du denn gesteckt? Wir haben alle möglichen Freigetränke für unsere Gäste aus der Branche!«
Maryalice hatte offenkundig vergessen, dass Chevette ihr erzählt hatte, sie und Tessa seien keine A-&-R-Leute, aber vermutlich vergaß Maryalice des Öfteren eine ganze Menge.
»Na prima«, sagte Chevette. »Hast du Tessa gesehen? Meine Freundin, mit der ich hier war? Sie ist Australierin …«
»Oben in der Lichtkabine bei Saint Virus, Schätzchen. Sie zeichnet Buells ganzes Konzert mit diesen kleinen Ballondingern auf!« Maryalice strahlte. Drückte Chevette einen dicken, lippenstiftschmierigen Kuss auf die Wange und vergaß sie sofort. Ihr Gesicht wurde ausdruckslos, als sie sich abwandte, in Richtung Bar, wie Chevette vermutete.
Aber die Lichtkabine, die konnte sie jetzt sehen: eine Art überdimensionale matt schwarze Kiste, die gegenüber der
Bühne in eine Ecke geklebt war, und hinter deren verzogenem, langgestrecktem Kunststofffenster, sich ganz deutlich Tessas Gesicht und das eines kahlköpfigen Jungen abzeichneten, der eine fies aussehende Sonnenbrille mit schmalen, schwarzen Gläsern trug. Nur die beiden Köpfe da drin, wie Marionettenköpfe. Rauf kam man, wie sie sah, über eine mit rostigen Rohrschellen an der Wand befestigte Aluminium-Trittleiter.
Tessa hatte ebenfalls eine Spezialbrille auf, und Chevette wusste, dass sie den Output von Gottes kleinem Spielzeug sah, während sie mit ihrem schwarzen Handschuh Kameraposition und Schärfe einstellte. Creedmore hatte mit einem weiteren, diesmal schnelleren Song angefangen, und die Leute stampften den Takt und wippten auf und ab.
Zwei von diesen Netzkappentypen, Bierdosen in der Hand, bei der Leiter, aber sie tauchte unter ihren Armen durch und kletterte rauf, ohne den zu beachten, der ihr mit der flachen Hand lachend einen Klaps auf den Hintern gab.
Hinauf durch das quadratische Loch, die Nase auf Höhe eines staubigen, biergetränkten braunen Teppichs. »Tessa. He.«
»Chevette?« Tessa drehte sich nicht um; sie war völlig auf das Bild in ihrer Brille konzentriert. »Wo warst du?«
»Ich hab Carson gesehen«, sagte Chevette und kletterte ganz hinauf. »Bin abgehauen.«
»Spitzenmäßiges Material hier«, sagte Tessa. »Die Gesichter dieser Leute. Wie bei Robert Frank. Ich mach das schwarz-weiß und grobkörniger …«
»Tessa«, unterbrach Chevette, »ich
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