Illuminatus 1 - Das Auge in der Pyramide
sogar meistens. Concepcion betrachtete die Stierkampfdarstellungen auf der gegenüberliegenden Wand, den nicht besonders überzeugend gemalten Manolete, der sich in einer eleganten Veronica drehte, und sagte gedankenverloren: «Hm, ein Lloigor ist ein Gott der einheimischen Schwarzen. Ein sehr böser Gott.»
Chips warf noch einen Blick auf die Statue und sagte mehr zu sich selbst: «Irgendwie hat er ein wenig Ähnlichkeit mit der Tlaloc-Statue in Mexico City, gekreuzt mit einer jener polynesischen Cthuüm-tikis.»
«Die Starry Wisdom-Leute sind sehr an diesen Statuen interessiert», sagte Concepcion, um ein wenig Konversation zu treiben, denn die nächste halbe Stunde würde Chips sowieso nicht in der Lage sein, noch einmal über sie zu steigen.
«So?» sagte Chips, ebenso gelangweilt. «Wer sind diese Starry Wisdom-Leute?»
«Eine Kirche. Unten auf der Tequilla y Mota Street. War früher mal die Lumumba Street und später, als ich noch ein junges Mädchen war, hiess sie Franco Street; 'ne komische Kirche.» Das Mädchen dachte nach und runzelte dabei die Stirn. «Als ich noch im Telegrafenamt arbeitete, sah ich immer ihre Telegramme. Alles kodiert. Und niemals an eine andere Kirche. Immer an Banken. An Banken in ganz Europa, Nordamerika und in Südamerika.»
«Was du nicht sagst», sagte Chips langsam; seine Langeweile war schlagartig verflogen, und er bemühte sich, desinteressiert zu erscheinen; seine Kode-Nummer beim Britischen Geheimdienst war natürlich 00005. «Warum sind sie an diesen Statuen interessiert?» Er überlegte, dass ausgehöhlte Statuen ein gutes Transportmittel fürHeroin sein können; er war fast sicher, dass Starry Wisdom eine Front der BUGGER war.
(1933 erzählte Professor Tochus seiner Psychologie-Klasse 101: «Also, das Kind fühlt sich, nach Adler, bedroht und minderwertig, weil es in der Tat körperlich kleiner und schwächer ist als der Erwachsene. Demzufolge weiss es, dass es keine Chance einer erfolgreichen Auflehnung hat, dennoch träumt es davon. In Adlers System stellt das den Ursprung des Ödipus-Komplexes dar: nicht Sex, sondern der Wille zur Macht. Die Klasse wird sogleich den Einfluss Nietzsches erkennen...» Robert Putney Drake liess seinen Blick über die Klasse schweifen und war sich ziemlich sicher, dass die meisten Studenten nichts « sogleich » erkennen würden; noch erkannte Tochus selbst etwas. Das Kind, so Drake, und das war der Grundstein seines eigenen PsychologieSystems, war nicht von Sentimentalität, Religion, Ethik und ähnlichem Blödsinn geprägt; das Kind konnte klar erkennen, dass es in jeder Beziehung eine dominierende und eine unterwürfige Partei gab. Und das Kind, in seinem ganz natürlichen Egoismus, beschloss, die dominierende Rolle auszuprobieren. So einfach war das. Natürlich zeitigte die Gehirnwäsche der Erziehung in den meisten Fällen schon ihre Wirkung; und im College-Alter hatten sich die meisten schon damit abgefunden, die unterwürfige Rolle zu spielen. Professor Tochus schnurrte weiter; Drake träumte weiter, ganz gelassen, seinen Mangel an Superego geniessend. Und er träumte davon, wie er eines Tages die dominierende Rolle ergreifen würde... In New York stand Arthur Flegenheimer vor siebzehn in schwarze Gewänder gehüllten Figuren, von denen eine eine Ziegenkopfmaske trug, und wiederholte: «Niemals werde ich Teile unserer Künste offenbaren; werde alles verbergen; werde ewiglich schweigen...»)
Du siehst aus wie ein Roboter, sagte Joe Malik in San Francisco, in einem perspektivisch verzerrten Zimmer, in völlig verdrehter Zeit. Ich meine, du bewegst dich und gehst wie ein Roboter.
Bleib dabei, Mister Wabbit, sagte ein junger, bärtiger Mann mit düsterem Lächeln. Manche Tripper sehen sich selbst als Roboter. Andere sehen den Führer als Roboter. Bleib bei dieser Perspektive. Ist es eine Halluzination, oder ist es die Erkenntnis von etwas, das wir normalerweise unterdrücken?
Warte, sagte Joe. Ein Teil von dir ist wie ein Roboter. Aber ein anderer Teil von dir ist lebendig, wie etwas Wachsendes, ein Baum oder eine Pflanze...
Der junge Mann lächelt, sein Blick gleitet nach oben, zum Mandala, das unter die Decke gemalt ist. Well? fragt er. Glaubst du, das ist eine verständliche, poetische Kurzschrift: dass ein Teil von mir mechanisch ist wie ein Roboter und ein Teil von mir organisch wie ein Rosenbusch? Und was ist der Unterschied zwischen dem Mechanischen und dem Organischen? Ist der Rosenbusch nicht eine Art Maschine, die vom
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