Im Blut vereint
Ferguson erhalten. Die hatte ihr mitgeteilt, dass die Beweise nach Ansicht der Polizei nicht für eine Anklage ausreichten – was nicht stimmte, wie Kate genau wusste. Dann hatte Ferguson sie noch eindringlich ermahnt, nie wieder auf eigene Faust zu versuchen, ein Verbrechen aufzuklären. Die Botschaft war eindeutig gewesen: Dieses eine Mal drückten sie ein Auge zu. Kate hatte sich gefragt, ob Ethan sich für sie eingesetzt hatte.
Randalls Blick ruhte noch immer auf ihr. Sie hätte gern gewusst, was er dachte. Auch wenn er sie eben um Verzeihung gebeten hatte, weil sie seinetwegen in Gefahr geraten war, war er immer noch ihr Chef. Und sie hatte mehrfach gegen ihr Berufsethos verstoßen und diverse Gesetze gebrochen, um den Betrug aufzudecken.
Andererseits wäre es dumm von ihm, sie ausgerechnet jetzt zu feuern, wo die Kanzlei dringend eine Aufbesserung ihres Images brauchte, um den Skandal zu überleben, den John Lyons’ kriminelle Machenschaften und sein Selbstmord ausgelöst hatten.
Und Randall war nicht dumm.
Sie wartete.
Er räusperte sich. »Kate, durch Ihre Integrität und Ihr Wahrheitsbedürfnis setzten Sie allen in dieser Kanzlei ein Beispiel.« In seinem Blick lagen Wärme und Bewunderung. »Ich weiß, dass Sie gern in die Prozessabteilung wechseln möchten.«
»Deshalb wurde ich eingestellt.« Sie konnte sich einen schalkhaften Blick nicht verkneifen.
»Dann reden wir darüber, sobald Sie so weit sind, dass Sie neue Fälle übernehmen können.« Er stand auf. Und sah ihr in die Augen. Trotz all ihrer Vorsätze spürte sie, wie ihr warm wurde.
»Willkommen zurück«, sagte er leise.
Sie wappnete sich für das, was sie gleich in seinem Blick sehen würde.
Sei stark.
Doch sein Blick war nur fragend. Nicht fordernd. Und dahinter verborgen entdeckte sie noch etwas, womit sie nicht gerechnet hatte: Sanftheit.
Noch mehr überraschte sie jedoch ihre eigene Reaktion.
Es gefiel ihr.
Sie stand aus dem Sessel auf und ging zur Tür. Dort wandte sie sich um. »Danke. Es ist schön, wieder hier zu sein.«
Während sie den Flur entlanghinkte, spürte sie seinen Blick im Rücken.
So viel zum Thema »Distanzhalten«.
Wenn sie bei LMB bleiben wollte – und das wollte sie ganz sicher, jetzt, wo Randall ihr versprochen hatte, sie der Prozessabteilung zuzuteilen –, musste sie lernen, mit Mr Barrett fertig zu werden. Im Augenblick hatte sie die Oberhand. Das wussten sie beide. Sie hatte Schrecken durchlebt, die viele Menschen nicht heil überstanden hätten. Wer doch überlebte, trug gewöhnlich ein Trauma davon, das sein gesamtes Leben überschattete.
Sie nicht. Bei ihr hatten diese Schrecken das Selbstvertrauen erhöht, die Entschlusskraft gestärkt und die Ängste vertrieben. Ihre Wunden – alte wie neue – waren im Begriff zu heilen. Sie war bereit, alles zu nehmen, was das Leben ihr bot.
Und auch vor bedrohlichen Dingen würde sie nicht mehr davonlaufen. Das schloss Randall Barrett mit ein.
Sie war bereit für das Leben, das sie sich immer gewünscht hatte.
Ihre berufliche Laufbahn nahm endlich die lang ersehnte Wendung. Sie würde die Art von Fällen bearbeiten, die ihr vorschwebte. Es war ein wundervolles Gefühl des Triumphes, prickelnd wie Champagner. Aber sie wusste auch, dass so etwas nicht lange hielt. In der letzten Woche hatte sie über vieles nachdenken können. Während dieser Genesungszeit zu Hause war ihr deutlich geworden, was ihr alles entgangen war: das unkomplizierte Zusammensein mit ihrem Hund; nette Freunde wie Enid und Muriel; die Freude gemeinsamer Mahlzeiten. Sie wünschte sich anspruchsvollere Aufgaben, aber nicht auf Kosten ihres sonstigen Lebens. Randall würde das hoffentlich respektieren.
Falls er es nicht tat, gab es für sie auch andere Möglichkeiten. Sie hatte eine regelrechte Prozesslawine ausgelöst, von der Kanzleien in ganz Kanada profitierten. Überall wurden Sammelklagen gegen
TransTissue
eingereicht. Pech für
TransTissue
; rosige Zeiten für die Kanzleien. Auch da regierte das Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Um 17:30 Uhr kam sie nach Hause. Alaska begrüßte sie so freudig wie immer. »Komm mit, Junge.« Sie nahm sich einen Apfel und setzte sich mit dem Hund auf die hintere Veranda. Die Sonne wärmte ihr den Rücken. Alaska hob die Schnauze in den Abendwind. Die Erde roch frisch und verheißungsvoll. Überall strebten leuchtend grüne Triebe ans Licht.
Wie mutig und selbstbewusst von ihnen, einfach darauf zu bestehen, dass sie auch in ihrem unwirtlichen
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