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Im Dreieck des Drachen

Im Dreieck des Drachen

Titel: Im Dreieck des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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Minitauchboot saß, ragten Kopf und Schultern in die Kunststoffkuppel. Auf diese Weise hatte er einen Panoramablick auf seine Umgebung. Während die Kabine für die meisten Männer sehr geräumig gewesen wäre, passte Jack, mit seiner Größe von annähernd zwei Metern, so gerade eben hinein. Als würde man einen MG -Coupé fahren, dachte er, nur dass man das nicht mit den Zehen lenkt.
    Die beiden Fußpedale im Rumpf dienten nicht bloß zur Geschwindigkeitskontrolle. Mittels der vier Schubantriebe von je einer Pferdestärke konnte man auch lenken. Mit geübter Geschicklichkeit ließ Jack das rechte Pedal los, während er gleichzeitig mit dem großen Zeh das linke niederdrückte. Das Fahrzeug vollführte eine glatte Linkskurve. Scheinwerferlicht durchdrang die Dunkelheit. Vor ihm tauchte der Meeresboden aus der ewigen Finsternis auf.
    Jack bremste sein Fahrzeug ab, sodass es nur noch sanft dahinglitt. Er betrat jetzt ein natürliches Wunderland, eine Oase in der Tiefsee.
    Unter ihm zogen sich Felder von Röhrenwürmern über den Talboden des Gebirges mitten im Pazifik. Riftia pachyptila. Die Bündel zwei Meter langer Röhren mit ihren blutroten Würmern ließen die Unterwasserlandschaft wie einen außerweltlichen Ziergarten erscheinen. Wenn er vorüberfuhr und sie dabei in der Strömung leicht ins Schwanken gerieten, schienen sie ihm zuzuwinken. Auf den niedrigeren Hängen zu beiden Seiten lagen Schale an Schale riesige Muscheln. Sie standen offen, und weiche Wedel filterten das Meerwasser. Leuchtend rote Krabben der Gattung Munida quadrispina stolzierten auf langen, spindeldürren Beinen unter ihnen umher.
    Eine Bewegung lenkte Jacks Aufmerksamkeit nach vorn. Ein dicker, augenloser Aal glitt vorüber, dessen Zähne hell im Licht der Xenonscheinwerfer strahlten. Gleich darauf folgte eine Schule neugieriger Fische, die von einem großen braunen Laternenfisch angeführt wurde. Der freche Bursche schwamm unmittelbar an die Glaskugel heran – ein Tiefseeungeheuer, das den seltsamen Eindringling beäugte. Winzige biolumineszierende Lichter flackerten an der Seite des Fischs; Anzeichen dafür, dass er sein Territorium aggressiv verteidigen würde.
    Auch andere Mitbewohner zeigten sich. Unten am Grund liefen rosafarbene Impulse durch das Gewirr aus Bambuskorallen, Lepidisis olapa. Rings um die Kuppel blitzten winzige blaugrüne Lichter auf, deren Besitzer zu klein und durchscheinend waren, als dass man sie hätte deutlich erkennen können.
    Der Anblick erinnerte Jack an die umherhuschenden Glühwürmchen seiner Kindheit. Nachdem er seine gesamte Jugend fern der Küste in Tennessee verbracht hatte, hatte er sich sogleich in den Ozean verliebt. Er war von dessen Weite bezaubert gewesen, vom endlosen Blau, von den ständig wechselnden Stimmungen.
    Wirbelnde Funken umschwärmten die Kuppel.
    »Unglaublich«, murmelte er in sich hinein und grinste breit. Selbst nach so langer Zeit fand das Meer immer wieder Wege, ihn zu überraschen.
    Sogleich summte es in seinem Ohrhörer. »Was war das, Jack?«
    Stirnrunzelnd verfluchte er schweigend das Kehlkopfmikrofon an seinem Hals. Selbst fünfhundert Meter unter dem Meer konnte er sich nicht völlig von der Welt oben abschotten. »Nichts weiter, Lisa«, antwortete er. »Ich bewundere bloß die Aussicht.«
    »Wie verhält sich das neue Tauchboot?«
    »Könnte nicht besser sein. Empfängst du die Anzeigen für den Bio-Sensor?«, fragte er und berührte den Clip an seinem Ohrläppchen. Das darin eingebaute Laser-Spektrometer überwachte ständig den Sauerstoffgehalt seines Bluts.
    Dr. Lisa Cummings hatte ein Stipendium von der National Science Foundation bekommen, um die physiologischen Effekte der Tiefsee-Arbeit zu studieren. »Atmung, Körpertemperatur, Kabinendruck, Sauerstoffversorgung, Ballast, Kohlendioxid-Reiniger. Überall grünes Licht hier oben. Irgendwelche Anzeichen seismischer Aktivität?«
    »Nein. Alles ruhig.«
    Als Jack vor zwei Stunden seinen Abstieg in der Nautilus begonnen hatte, hatte Charlie Mollier, der Geologe, von merkwürdigen seismischen Anzeigen berichtet, von harmonischen Schwingungen, die durch das Tiefseegebirge gewandert waren. Aus Sicherheitsgründen hatte er vorgeschlagen, Jack solle an die Oberfläche zurückkehren. »Komm hoch, und sieh dir mit uns zusammen die Sonnenfinsternis an«, hatte Charlie vor einiger Zeit in seinem jamaikanischen Akzent gesendet. »Das wird ein Spektakel, Mann! Wir können immer noch morgen tauchen.«
    Jack hatte sich geweigert.

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