Im Herzen der Feuersonne
nur kurz
den Kopf gehoben, dann wieder in ihre Bierhumpen gestarrt. Irgendwann zog einer
von ihnen ein paar Würfel aus dem groben Wams, und sie begannen zu spielen. Auch
dabei fiel kaum ein Wort. Zweimal bestellten sie frisches Bier, ohne ihr
Würfelspiel zu unterbrechen.
Ben bemerkte erst jetzt, dass sich auch drei
Matrosen der Parisienne hierher verirrt hatten. Es
waren ältere Männer mit wettergegerbtem Gesicht und hagerer Gestalt. Seit Ben
sie kannte, hielten diese drei sich immer ein wenig abseits. Zechten kaum
einmal, pöbelten nicht, arbeiteten meist schweigend. Hin und wieder hatte einer
von ihnen ein Buch hervorgeholt und den anderen daraus vorgelesen. Worum es sich
handelte, hatte Ben nicht herausgefunden. Er hatte aber auch nie gefragt. Es war
deutlich gewesen, dass sie unter sich bleiben wollten, und das war von allen
stillschweigend geduldet worden. Nicht einmal der vorlaute Olivier hatte es
gewagt, an den drei Sonderlingen sein Mütchen zu kühlen. Jetzt nickten sie Ben
kurz zu, und der Ãlteste, der einen Bart trug und mit einem langen schwarzen
Rock bekleidet war, hob die Hand zum GruÃ.
Benjamin wandte sich wieder der Alten zu. »Die
Suppe ist sehr gut«, sagte er und schob die Schale weg, als sie leer war.
Die Wirtin lachte heiser. »Willste noch was?«
Er schüttelte den Kopf. »Sei bedankt, es ist erst
mal genug. Aber ⦠weiÃt du einen Platz, wo ich etwas unterstellen könnte?«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Dein Gepäck?
Seesack und so?«
»Nein ⦠Rebstöcke.«
»Ach, schau an! Biste vielleicht Winzer?
SchlieÃlich kommste aus dem Rheingau! Willst du dich hier niederlassen?« Die
Augen der Alten bekamen plötzlich Glanz, und sie beugte sich neugierig vor. Ben
stellte fest, dass ihre Augen bernsteinfarben waren. Ein Kranz von unzähligen
Fältchen umgab sie, und als sie jetzt lächelte, erhielt ihr altes Gesicht neuen
Reiz.
Ben nickte zustimmend. Er wollte nicht zu viel
preisgeben. Man konnte nie wissen, wem man gegenübersaÃ. Das hatte er in den
letzten Jahren hin und wieder schmerzlich erfahren müssen. Von seiner
Gutgläubigkeit, mit der er einst die groÃen Reisen über den Ozean angetreten
hatte, war nichts mehr übrig geblieben, er war misstrauisch geworden. In der
Zeit auf dem Schiff war er erst richtig erwachsen geworden. Er hatte viel
ertragen müssen, aber er hatte auch viel gelernt. Nicht nur etwas über die
Arbeit an Bord eines Segelschiffs, sondern auch darüber, dass das, womit einer
sein Brot verdiente, nicht unbedingt etwas darüber aussagte, was für ein Mensch
er war. So war der dickbäuchige Koch der Parisienne zum Beispiel ein geschickter Jongleur, der die Besatzung in freien Stunden mit
seinen Kunststücken unterhalten hatte. Pasquale, ein Portugiese mit scharfen
Augen, der häufig im Ausguck saÃ, konnte hervorragend Gitarre spielen, dessen
spanischer Freund Miguel sang dazu mit warmem Bariton. Andere wiederum schienen
auf den ersten Blick freundliche Gesellen zu sein, aber in Wahrheit waren sie
Schlitzohren und Taugenichtse, denen man nicht trauen konnte.
Durch Olivier und die übrige Besatzung hatte Ben
Französisch gelernt, auch ein paar Brocken Spanisch. Und Henry Gardener, der
Zweite Offizier, hatte Ben schlieÃlich mit Hilfe einiger Bücher ganz passables
Englisch beigebracht. »Die Zeit, da die Holländer am Kap das Sagen haben, wird
bald zu Ende gehen«, hatte Gardener gesagt. »Wir Engländer sind die neue
Weltmacht. Da kann es nicht schaden, wenn man unsere Sprache beherrscht.«
Vaterlandsstolz hatte aus diesen Worten geklungen, was nicht wirklich angebracht
war, denn die Männer auf dem Segler waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen,
der zu einem guten Teil aus rauen Gesellen bestand, die ihr Schicksal dem weiten
Meer anvertraut hatten.
Benjamin Ruhland hatte dem Zweiten Offizier
zunächst nicht recht glauben mögen, dass die Engländer eine Vormachtstellung
einnahmen, denn es gab viele Nationen, die den dunklen Kontinent und andere
Teile der Welt für sich beanspruchten. Aber mit der Zeit änderte er seine
Meinung. Und er prägte sich so viel ein, wie er konnte, und lernte eifrig. Wer
wusste schlieÃlich, was die Zukunft für ihn bereithielt?
Als er vor Jahren seine Heimat verlassen hatte,
war er entschlossen gewesen, sich der Ungewissheit und den Gefahren der Fremde
zu stellen. Auch heute dachte er nur
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