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Im Informationszeitalter

Im Informationszeitalter

Titel: Im Informationszeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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erste Urmensch mit dem mit einem Flint bearbeiteten Feuerstein begann, ein Feuer zu schlagen, wobei er zuvor einen Hammer aus Stein verfertigt hatte, bis hin zur Discovery, zu Satelliten oder zu Atomkraftwerken
    -    die Methode blieb im Kern stets die gleiche.
    Die Evolution hingegen, die sich selbst aus dem molekularen Chaos und Gewimmel entwickeln mußte, schafft keine theoretischen Konzeptionen und kennt keine Trennung zwischen dem Bearbeitenden und dem Bearbeiteten. Der “Plan” in ihr ist die aus den Molekülen zusammengesetzte DNA-Spirale - auch wenn wir immer noch nicht wissen, wie ihr dies gelungen ist -, die innerhalb von vier Milliarden Jahren der Lebensentwicklung auf der Erde entstanden ist. Übrigens hat sich die Evolution nicht allzusehr verausgabt, wenn sie innerhalb von drei Milliarden Jahren nichts außer verschiedenen Bakterien erschaffen hat. Mehrzellige Wesen, Pflanzen und Tiere sind “erst” vor achthundert Millionen Jahren und der Mensch ist auf dieser Skala erst “vor einem Augenblick” entstanden, etwa vor zwei bis vier Millionen Jahren. Meine größte Sorge und mein größtes Problem bestanden mithin darin, wobei ich auf meine Futurologie zurückkomme, ob die Menschen imstande sein werden, die Technologieentwicklung so außergewöhnlich zu beschleunigen , daß sie das, was die Evolution in Milliarden von Jahren gestaltet hat, einholen und in ein paar Jahrhunderten diese Kunst erwerben und beherrschen können.
    Zwei Dinge habe ich nicht vorausgesehen. Erstens, daß wir diesen Wettlauf gewinnen können, daß wir aus der Konkurrenz bereits zum Ende des 20. Jahrhunderts als Gewinner hervorzugehen beginnen und daß dies so schnell, so stürmisch und auf so vielen Abschnitten der biotechnologischen Front geschieht. Ich war offensichtlich in diesem Sinne ein Pessimist.
    Dagegen habe ich mich als Optimist in einem anderen Sinne und in einem anderen Bereich erwiesen, denn ich habe zweitens auf den prometheischen Geist der Menschheit gezählt. Ich ahnte nicht, daß die wunderbarsten Errungenschaften der Menschheit für niederträchtige, gemeine, schuftige und unerhört dumme Zwecke mißbraucht werden, daß etwa die Computernetze, über die ich schon im Jahre 1954 schrieb, Pornographie übertragen werden.
    Mich interessierte nicht allein die Vorhersage der biotechnischen Geschöpfe, sondern ich wollte immer erraten, wie Menschen das von ihnen Geschaffene gebrauchen werden. Beim Nachdenken über diesen Aspekt der zukünftigen Dingen stieß ich auf die menschliche Natur, die leider non est naturaliter christiana . Gleichzeitig habe ich versucht, mich den dunkeln, vor allem den dummen, aber auch mörderischen Seiten der menschlichen Natur irgendwie entgegenzusetzen. Ich nahm in der Summa und in den Dialogen keine Kapitel über die “schwarze” Zukunft der grandiosen Technologien auf. Aber ich mußte erkennen, als ich mich in die “Zukunftsphilosophie” (von Flechtheim) eingelassen habe, daß fast jeder Typus einer hochentwickelten Technologie notwendigerweise mit unserer ganzen Kulturtradition, mit der historisch entstandenen Ethik des Religionsglaubens, mit unseren durch die Rechtsund Sozialbremsen geschützten Umgangsnormen kollidieren wird, und daß sich aus diesen immer heftigeren Zusammenstößen bedrohliche Phänomene ergeben, die auf die Zivilisation selbstzerstörerisch wirken.
    Ich habe mich nicht an die Beschreibung solcher bedrohlicher Veränderungen gemacht. Ich weiß nicht, ob ich dies absichtlich nicht wollte, jedenfalls habe ich weder eine “permissive Gesellschaft” noch die Triumphe der von der Lebensevolution übernommenen Technologien behandelt. Mein Ausgangspunkt wurde die Science Fiction . Ich beschrieb auch das Düstere, aber in einer grotesken und närrischen Verkleidung. So ist der Futurologische Kongreß entstanden (und wurde in vielen Übersetzungen in der Welt herausgegeben). Er schildert eine Welt, in der man allgemein nicht einfache Drogen verwendete, sondern psychotrope Mittel, die die Persönlichkeit eines Menschen verändern, die ihn wie eine Marionette steuern können. Ich habe dies aber unter Lachen geschrieben, und so wurde es auch empfunden. Leider findet man derartiges jetzt bereits auf den Seiten der Tageszeitungen. Eine solche “psychemische Zivilisation” oder “Psyvilisation” scheint schon vor der Tür zu stehen. Ich habe sie mit Ironie, Hohn und Humor versüßt, und auch in vielen anderen Büchern immer in einer satirisch-surrealistischen

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