Im Kreis des Wolfs
schien, gähnte und Fleisch auswürgte – Futter für die Kleinen, ganz so, wie es in den Büchern stand.
Während sich die Wiese mit Blumen füllte, sah Luke die Welpen Bienen und Schmetterlinge jagen, schaute zu, wie sie lernten, Mäuse zu fangen, und oft waren sie so komisch, dass er Mühe hatte, nicht laut aufzulachen. Manchmal, wenn Mutter oder Vater dösend in der Sonne lag, robbten die Kleinen auf ihren Bäuchen durch Sumpfdotterblumen und üppiges, hohes Gras heran. Luke war überzeugt, dass die Eltern wussten, was los war, dass sie die Kleinen aber gewähren ließen und nur so taten, als würden sie schlafen. Sobald sie nahe genug bei den Alten waren, sprangen die Welpen auf, und plötzlich spielten alle verrückt, die ganze Meute jagte über die Wiese, alle tollten herum, schnappten nacheinander, und das Spiel ging weiter und immer weiter, bis schließlich sämtliche Tiere erschöpft in einem großen Fellhaufen zusammensanken.
Während Luke ihnen zusah, stieß er stumm ein kleines Gebet aus, nicht zu Gott, für dessen Existenz er bislang nur wenig Beweise hatte, sondern zu dem, was diese Art Dinge zu entscheiden hatte, flehte, dass die Wölfe so clever sein würden, dort oben zu bleiben, wo sie sicher waren, und dass sie sich nicht hinunter ins Tal wagten.
Doch jetzt war es geschehen. Einer von ihnen war gekommen.
Und als er zusah, wie sein Vater sich da auf der Veranda im Licht der Scheinwerfer sonnte, war Luke auf den Wolf wütend geworden, nicht weil er den Hund seiner Schwester, den er immer sehr gerngehabt hatte, getötet hatte, sondern weil das Leben aller anderen Wölfe so dumm, so rücksichtslosvon ihm aufs Spiel gesetzt wurde. Ahnte er denn nicht, dieser Trottel von einem Wolf, was die Leute hier unten von Wölfen hielten?
Lukes Vater wusste genau, wie gut sein Sohn die Berge kannte, dass er sich ständig dort oben herumtrieb, allein, obwohl er eigentlich auf der Ranch helfen sollte, so wie man es von den Söhnen der Rancher eben erwartete. Und bevor heute Abend all diese Leute aufgetaucht waren, hatte ihn sein Vater gefragt, ob er da oben Wolfsspuren entdeckt hätte.
Luke hatte den Kopf geschüttelt, doch statt es dabei zu belassen, hatte er aus irgendeinem idiotischen Grund hinzugefügt: Nein, er habe nichts entdeckt. Die Lüge ließ ihn ebenso über das
nein
wie über das
nichts
stolpern, weshalb er mehr als gewöhnlich stotterte, so dass sein Vater ging, ehe er den Satz herausgebracht hatte.
Luke ließ ihn unausgesprochen verhallen, so wie die vielen anderen Sätze, die unausgesprochen in ihm lagen.
Die Untersuchung auf dem Hof war inzwischen beendet. Dan Prior hatte die Kamera ausgeschaltet und half Rimmer beim Saubermachen. Lukes Vater und Clyde gesellten sich zu ihnen, und die vier Männer begannen ein Gespräch, doch waren ihre Stimmen jetzt so leise, dass Luke sie nicht mehr verstehen konnte. Er streichelte den alten Hund ein letztes Mal, stand auf, trat aus der Scheune und ging zu den Männern hinüber, blieb aber in einigen Metern Entfernung stehen und hoffte, dass man ihn nicht weiter beachten würde.
»Nun, das war ein Wolf, daran besteht kein Zweifel«, sagte Rimmer.
Lukes Vater lachte. »Haben Sie vorher etwa Zweifel gehabt? Meine Tochter hat ihn mit eigenen Augen gesehen, und ich denke doch, dass sie einen Wolf von einem Specht unterscheiden kann.«
»Aber sicher, Sir.«
Sein Vater entdeckte ihn, und Luke verfluchte, dass er die Scheune verlassen hatte.
»Meine Herren, das hier ist mein Sohn Luke. Luke, dies sind Mr. Prior und Mr. Rimmer.«
Luke bezwang den instinktiven Wunsch, sich umzudrehen und wegzulaufen, statt dessen ging er auf die Männer zu und gab ihnen die Hand. Sie sagten beide hallo, doch Luke nickte nur und wich ihrem Blick aus, damit sie nicht auf die Idee kamen, mit ihm zu reden. Sein Vater riss wie gewohnt die Unterhaltung sofort wieder an sich, bewahrte ihn damit vor der Teilnahme am Gespräch, hinderte ihn zugleich aber auch daran, sich zu beweisen. Luke wusste den Grund, weshalb sein Vater ihn immer wieder so geschickt zum Verstummen brachte: Man sollte nicht erfahren, dass er einen Stotterer zum Sohn hatte.
»Warum habt ihr Jungs uns eigentlich nie erzählt, dass es hier Wölfe in der Gegend gibt?«
Prior versuchte, ihm auf seine Frage eine Antwort zu geben.
»Nun, Mr. Calder, wir haben immer gewusst, dass Wölfe hin und wieder über die Kontinentalsperre der Rockys hierherziehen. Und wie Sie vielleicht wissen, hat ihre Zahl in den Staaten
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