Im Land der glühenden Sonne: Die Australien-Saga (German Edition)
blieben, sodass sie Gleichaltrige kennen lernen und vielleicht sogar echte Freundschaften schließen könnte. Sie hatte gehört, dass es in der Gegend viele junge Leute gab, und ihr Vater hatte angedeutet, dass sie diesmal nicht so bald wieder umziehen würden. Das waren aufregende Aussichten, und Abby hatte ein ganz positives Gefühl, was ihr neues Zuhause und die neue Umgebung betraf.
Zwei Tage später beschloss Abby, sich einen freien Tag zu nehmen, borgte sich den kleinen Pritschenwagen aus, der ihrem Vater zur Verfügung gestellt worden war, und machte sich auf, einen Teil des insgesamt 3000 Morgen umfassenden Gebiets der Farm zu erkunden. Sie packte ein Sandwich und eine Flasche Limonade ein und fuhr quer über die Weiden los. Einige waren frisch gepflügt, und an der dunklen Farbe der Erde war zu erkennen, dass Regenfälle über die Jahre immer neuen Mutterboden angeschwemmt hatten. Auf einer der Weiden hatte man frisches Futtergras angesät, dessen Halme wie grüner Bodennebel in kleinen Grüppchen zu sprießen begannen. Träge Hereford- und Black-Angus-Rinder beobachteten den Eindringling ohne großes Interesse.
Im Schatten einer Gruppe von Eukalyptusbäumen ließ sie den Wagen stehen und wanderte etwa eine Meile am spärlich bewaldeten Bachufer entlang, bis sie an eine Stelle kam, die ideal zum Schwimmen war. Die Fluten hatten das Ufer im Laufe der Zeit so ausgehöhlt, dass ein breiter, stiller Tümpel entstanden war, durch den der Bach floss. Sie hatte die Stelle offensichtlich nicht als Erste entdeckt, denn an einem Ast der sich über das Wasser neigenden Trauerweiden hing als Schaukel ein alter LKW-Reifen an einem Seil. Das dunkle Wasser sah so kühl und einladend aus, dass Abby beschloss, noch vor dem Essen zu schwimmen. Sie zog sich das Kleid über den Kopf, behielt jedoch BH und ›Schlüpfer‹, wie ihre Mutter sagen würde, schamhaft an, obwohl sie eigentlich ziemlich sicher war, meilenweit der einzige Mensch zu sein.
Das Wasser war kalt und prickelte auf ihrer Haut. Es roch nach modrigen Blättern, aufgeweichten Zweigen und ganz schwach nach Teebaumöl – ein sehr erdiger und nicht unangenehmer Geruch. Unter der Wasseroberfläche nahm ihre weiße Haut einen rötlichen Ton an.
Abby schwamm etwas herum, schreckte dabei mehrere Frösche auf und beschloss dann, ans Ufer zu klettern und sich auf den Reifen zu setzen. Sie zog ihn vorsichtig am Seil zu sich heran, stellte einen Fuß hinein und stieß sich mit dem anderen ab. Der Reifen schwang etwa bis zur Mitte des Baches, und als sie gerade loslassen wollte, um ins Wasser zu springen, riss das morsche Seil mittendurch, und sie landete alles andere als graziös im Bach. Spuckend und prustend kam sie wieder an die Oberfläche, schüttelte sich vor Lachen über dieses Missgeschick und war gleichzeitig sehr erleichtert darüber, dass niemand ihren lächerlichen Sturz beobachtet hatte.
Später, das lange feuchte Haar fiel ihr offen über den Rücken, ließ sie sich unter den Bäumen von der Sonne trocknen und verzehrte ihr Sandwich. Es war angenehm, allein zu sein – was in der McBride-Familie nicht allzu häufig vorkam – und den jüngeren Geschwistern einmal nicht mit gutem Beispiel vorangehen zu müssen.
Schließlich zog sie ihr Kleid wieder an, schnürte die Schuhe zu und schlenderte den schmalen Trampelpfad am Bach entlang, der den Spuren nach wohl hauptsächlich von Schafen benutzt wurde. Nach einer Weile hörte sie den Hufschlag eines Pferdes. Sie blieb stehen und sah ein dunkelbraunes Pferd, das in leichtem Galopp zwischen den Bäumen auf den Bach zupreschte. Als der Reiter sie entdeckte, verfiel er in einen gemächlicheren Trott und lenkte das Tier auf sie zu.
Barney Holten ließ sein Pferd anhalten, tippte sich an den Hut und grinste auf Abby hinunter.
»Hallo! Wie war's im Wasser?«
Abby war schüchtern stehen geblieben, um zu sehen, wer da kam, und hatte sich auf ein kurzes Gespräch eingestellt. Aber beim Anblick des gut aussehenden jungen Mannes mit dem leicht belustigten Blick, dem frechen Grinsen und der kultivierten Stimme genierte sie sich plötzlich fürchterlich und lief knallrot an. Bestimmt hatte er sie beim halb nackten Herumplanschen im Bach beobachtet. Sie senkte den Blick und stammelte etwas, aber dann drehte sie sich einfach um und flüchtete zu ihrem schützenden Wagen. Sie rutschte rasch hinters Steuer, startete den Motor, der gleich wieder abstarb, startete ihn noch einmal und fuhr, so schnell sie konnte, davon.
Weitere Kostenlose Bücher