Im Land der glühenden Sonne: Die Australien-Saga (German Edition)
Tasse entgegen. »Als Jugendliche wollen wir die Welt verändern, und mit zunehmendem Alter werden wir sentimental. Aber einige von uns können sich nicht von der Vergangenheit trennen, besonders wenn ihnen die Gegenwart nicht so recht zusagt. Dabei vergessen wir, dass das Leben nicht immer in einer geraden Linie verläuft. Wir werden in alle Richtungen gestoßen und geschoben, verirren uns gelegentlich und wandern ziellos herum. Natürlich muss man nicht alles als gegeben hinnehmen, wir können auch über den Weg entscheiden, den unser Leben nimmt, den Verlauf ändern. Das Problem dabei ist nur, dass wir das manchmal vergessen.«
Phillip war verblüfft und verbarg seine Verwirrung, indem er an seinem Kaffee nippte. Sein Gast fuhr fort, er war ganz von seinen Gedanken in Anspruch genommen.
»Man kann nicht immer in der Vergangenheit leben. Scheuklappen taugen nur etwas für Pferde … aber Ihnen als Farmer sage ich damit bestimmt nichts Neues, Mr. Holten.«
Phillip lächelte etwas gequält. »Recht schwere Kost für diese frühe Stunde, aber ich verstehe schon, was Sie sagen wollen.«
»Was würden Sie denn an Ihrem Leben ändern, Mr. Holten?«
Die Frage überrumpelte Phillip, und seine Kaffeetasse klirrte auf die Untertasse, als er sie abstellte. Eigentlich hätte er am liebsten gesagt, dass er es nicht für angebracht hielt, diese Unterhaltung fortzusetzen, und seinem Besucher die Tür gewiesen, aber eine seltsame Regung, die er nicht sofort einordnen konnte, veranlasste ihn zu antworten.
»Tja, ich fürchte, bei mir liegt der Fall nicht ganz so einfach.« Phillip schwieg, aber sein Gegenüber nahm seine Tasse auf und sah ihn über ihren Rand erwartungsvoll an.
»Nun, ich lebe mit einer Frau, die mehr Zeit in der Vergangenheit verbringt als in der Gegenwart. Es ist schwer, nach vorn zu blicken, wenn der Lebensgefährte zurückschaut. Selbstverständlich muss man auch bedenken, dass meine Frau ein Problem mit dem Herzen hat, was ihr den Blick in die Zukunft etwas trübt. Das alles macht das Leben sehr schwierig. Irgendwo hat es wohl eine Kreuzung gegeben, und ich habe den Wegweiser übersehen. Jetzt habe ich das Gefühl, irgendwie festzustecken. Von meinem Sohn habe ich mich entfremdet, und keiner von uns hat etwas, worüber er sich wirklich noch freuen kann …« Phillip war selbst erstaunt über diese Beichte, empfand jedoch gleichzeitig große Erleichterung darüber, das alles einmal laut ausgesprochen zu haben.
»Ich muss da an eine Weide denken, die eine sehr lange Dürreperiode hinter sich hat«, sagte Mr. Richards und zog seine Pfeife aus der Westentasche. »Was dagegen?«
»Überhaupt nicht«, erwiderte Phillip ruhig. Er betrachtete das sonnenverbrannte, wettergegerbte Gesicht seines Gegenübers, den leicht nikotinverfärbten, ergrauten Vollbart, die breite hohe Stirn und die warmen, freundlichen Augen. Phillip fiel auf, dass sich der Fremde in seinem Wohnzimmer vollkommen zu Hause zu fühlen schien, ganz so, als gehöre er hierher.
Mr. Richards Pfeife brannte nun, und er nahm den Gesprächsfaden wieder auf. »So eine Weide geht während der Dürre nicht ein, es ist eher so, als würde sie schlafen. Sobald es regnet, erwacht sie wieder. Bei den Menschen ist das ähnlich. Vielleicht stellen sie sich vor, dass die Dürre in ihrem Leben niemals enden wird, aber irgendwann geht sie immer vorüber. Allerdings müssen Menschen ja nicht unbedingt untätig herumsitzen und auf Regen warten. Manchmal können sie selbst etwas dazu tun. Erst gestern hatte ich ein ähnliches Gespräch. Es ging dabei um den Kopf und das Herz.«
»Kopf und Herz?«, wiederholte Phillip fragend.
»Ja, darum, wann man auf den Kopf hören sollte und wann auf das Herz.« Er dachte einen Augenblick nach und griff dann resolut nach seinem Hut. »Aber wenn wir den ganzen Tag so herumsitzen und philosophieren, kommen wir auf keinen grünen Zweig«, verkündete er grinsend. »Ich muss mich auf den Weg machen. Danke für das Gespräch und den Kaffee.«
Phillip ging zum Schreibtisch, suchte den Umschlag mit Mr. Richards Lohn heraus und überreichte ihn ihm. »Ich fand unsere Unterhaltung sehr anregend. Und vielen Dank für Ihre Hilfe. Sie kamen genau im richtigen Moment.«
Mr. Richards lächelte: »Grüßen Sie bitte Ihre Frau von mir.«
Bei den McBrides wurde unterdessen gefrühstückt. Wie immer sorgte Gwen für einen reibungslosen Ablauf. Sie stellte den Porridge auf den Tisch, während sie für danach schon den Toast, die
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