Im Namen der Engel: Die überirdischen Fälle der Bree Winston 1 (German Edition)
Niemand, der mit dem Fall Skinner zu tun hatte, hatte sie angelogen. Jeder hatte ihre Fragen beantwortet. Aber ebendiese Antworten ergaben keinen Sinn.
»Soviel ich weiß, hat niemand, der mit Bennie Skinners Tod in Verbindung steht, Sie irregeführt oder versucht, Ihnen die Wahrheit zu verheimlichen, Bree.«
»Was geht dann hier vor sich?«
Er deutete ein Lächeln an. »Sie müssen schon ein bisschen genauer sein. Derart allgemein gehaltene Fragen kann ich nicht beantworten. Das kann keiner von uns.«
Sie hakte sofort nach. »Wer ist uns ?« Als sie seinen amüsierten Gesichtsausdruck bemerkte, sah sie ihn wütend an. Keine allgemein gehaltenen Fragen, hatte er gesagt. Das erinnerte sie sehr an den Kurs über Methoden des Kreuzverhörs, den sie in ihrem dritten Studienjahr belegt hatte. »Okay. Lassen Sie es mich folgendermaßen formulieren. Was haben Sie, Professor Cianquino, Petru Lucheta, Ronald Parchese und Lavinia Mather gemeinsam?«
»Wir alle waren einst Bewohner der Himmlischen Sphäre.«
Ein Kult. Bree war überrascht, wie groß ihre Bestürzung war. Sie zog eine Augenbraue hoch. » Einst , haben Sie gesagt?«, fragte sie in ironischem Ton. »Jetzt sind Sie es also nicht mehr?«
»Nein«, erwiderte er. Ein Ausdruck extremen Kummers huschte über sein Gesicht, so schnell, dass sie ihn fast nicht bemerkte. »Jetzt nicht mehr.«
»Ist sie aufgelöst worden? Diese Himmlische Sphäre? Ich kann mich nicht erinnern, etwas darüber in der Zeitung gelesen zu haben.«
»Es gibt sie immer noch.«
Seine ruhige Gewissheit brachte sie ganz durcheinander.
»Gibt es jemanden, der die ganze Sache leitet? Einen Gründer?«
»Nicht in dem Sinne, in dem Sie es meinen.« Er zögerte – aber keineswegs, wie sie spürte, weil er ihr etwas verheimlichen wollte, sondern weil er nach den richtigen Worten suchte. »Es gibt sie immer noch. Es hat sie immer gegeben. Und es wird sie immer geben. Es gibt welche von uns, die sie eine Zeit lang verlassen, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Petru, Cianquino, Lavinia, Ron und Sascha gehören dazu.«
»Mein Hund auch?«, fragte Bree in schnoddrigem Ton. Sie kam sich vor, als sei sie im Lande Oz. Doch da Gabriel Striker außerordentlich vernünftig wirkte, auch wenn er absoluten Unsinn daherredete, wich ihre Verärgerung einem Gefühl echter Verwirrung. »Um eine Aufgabe zu erfüllen? Was denn für eine Aufgabe?«
»Die Bildung der Compagnie. Ihrer Compagnie. Der Compagnie, die geschaffen wurde, um Skinner und andere seiner Art zu verteidigen.«
Sie nahm sich ein paar Minuten Zeit, um über ihre nächste Frage nachzudenken. »Sie wollen sagen, Sie alle haben ein gemeinsames Interesse an dem Fall Skinner?«
»Ja.« Lächelnd lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Das haben wir. Und Sie auch.«
»Und worin besteht das? Es kann doch nicht darum gehen herauszufinden, wer ihn ermordet hat, wenn nach wie vor fraglich ist, ob er überhaupt ermordet wurde.«
»Jemand hat ihn getötet. Hat ihn vor seiner Zeit aus dem Leben gerissen.«
Bree hatte es allmählich satt. »Freut mich, dass Sie so sicher sind. Vermutlich werden auch Sie von seinem Geist heimgesucht, wie? Ich will Ihnen mal was sagen. Ich wäre weniger skeptisch, wenn Mr. Skinner es mir vielleicht selbst mitteilen könnte. Da spricht doch wohl nichts dagegen, oder?«
»Überhaupt nichts. Schließlich ist er unser Klient.« Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, doch das unzureichende Licht ließ seine grauen Augen noch silberner wirken als sonst. »Wir sind dazu hier, Skinner und andere seiner Art zu verteidigen.«
Bree merkte, dass ihr allmählich der Kragen platzte, doch sie riss sich zusammen. »Es gibt also noch weitere Klienten – außer Skinner? Die von allen zutiefst verabscheut wurden, als sie noch am Leben waren? Und die jetzt, da sie tot sind, irgendeine Art von Gerechtigkeit verlangen?«
»Genau«, erwiderte Gabriel, der sehr zufrieden aussah. »Skinners Seele ist zum Fegefeuer verurteilt worden. Er hat aber Berufung eingelegt. Er behauptet, was er getan habe, sei entweder falsch gedeutet worden oder legal gewesen.«
»Weswegen«, fragte Bree, die ohne es zu wollen fasziniert war, »ist er denn verurteilt worden?«
»Habgier.«
»Habgier«, erwiderte sie. »Natürlich. Klar. Was sonst!«
»Eins der sieben Schwerverbrechen, wie Sie wissen.«
»Davon gibt es nur sieben?« Sie klatschte sich mit der Hand gegen die Stirn und beantwortete die Frage selbst. »Aber ja.
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