Im Schatten des Fürsten
enttäuscht von mir, Tante Isana.«
Sie lächelte schwach. »Im Gegenteil: Hoffentlich bist du nicht von mir enttäuscht, Tavi.«
»Niemals«, sagte er leise. »Ich verstehe schon, warum du …« Er machte eine vage Geste mit der Hand. »Du hast das nur getan, weil du diejenigen beschützen wolltest, die du liebst.«
»Ja«, sagte Isana leise. »Ich sollte lieber nicht den ersten Stein werfen.« Sie trat zu ihm, fasste sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn auf die Stirn. »Versprich mir, dass du vorsichtig bist.«
»Ich verspreche es«, antwortete er ruhig.
Abermals schloss sie ihn in die Arme, und er erwiderte die Umarmung. Gaius zog sich dezent zurück, während Tavi sie zum Ausgang begleitete, wo der Wagen der Fürstenfamilie Aquitania auf sie wartete. Sie ging Hand in Hand mit Tavi, der ihr höflich beim Einsteigen half.
»Tavi«, sagte sie, ehe sich die Tür schloss.
»Ja, Tante Isana?«
»Ich habe dich lieb.«
Er lächelte. »Ich dich auch.«
Sie nickte. »Und ich bin stolz auf dich. Das darfst du nicht vergessen. Ich mache mir immer Sorgen um dich. Aber du wirst größer und größer.«
Er grinste. »Es kostet den Ersten Fürsten ein Vermögen, mich ständig mit neuen Hosen auszustatten.«
Isana lachte, und er beugte sich vor und küsste sie nochmals auf die Wange. Sie zerzauste ihm das Haar. »Schreib mir. Und zwar oft. Gleichgültig, wo wir jeweils landen, daran, was du mir bedeutest, wird sich niemals etwas ändern.«
»Das gilt für mich genauso«, versicherte er ihr. Er trat zurück und nickte mit befehlsgewohnter Miene dem Wagenfahrer zu, der die Tür schließen wollte. »Schreib du mir auch oft. Und pass gut auf dich auf.«
Sie lächelte, dann war die Tür zu, der Wagen rollte an und entfernte sich vom Palast. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. Im Wagen von Fürst und Fürstin Aquitania fühlte sie sich sehr einsam.
Sie war allein.
»Pass gut auf dich auf«, flüsterte sie und hielt das Bild seines Lächelns in ihrer Erinnerung fest. Sie legte die Hand auf den Ring, den sie immer noch verborgen um den Hals trug. »Oh, pass gut auf dich auf, mein Sohn.«
Epilog
Miles stieg die letzten Stufen hinunter und durchquerte den Vorraum vor der Meditationskammer des Ersten Fürsten. Noch immer waren die versengten Stellen zu sehen, wo Tavi und Kitai das Feuer angezündet hatten, aber die Blutspuren waren gründlich entfernt worden. Die Tür zur Kammer stand halb offen, trotzdem verharrte Miles und klopfte leise.
»Herein, Miles«, sagte Gaius.
Miles schob die Tür auf und ging hinein. Gaius saß auf einem Stuhl an dem kleinen Schreibtisch und schrieb mit nachdenklicher Miene. Er beendete den Text, unterzeichnete ihn, faltete das Blatt und verschloss ihn mit Wachs, in das er den Griff seines Siegeldolches drückte. »Was führt dich zu mir, Miles?«
»Das Übliche«, antwortete Miles. »Wir haben nichts in den Tiefen entdecken können außer dieser eigenartigen Höhle, in der die Vord ihr Nest gebaut hatten. Ansonsten lässt sich nirgendwo eine Spur von ihnen entdecken, aber ich habe an die Legionen aller Städte die Nachricht geschickt, sie sollten mit äußerster Vorsicht vorgehen, falls etwas auf die Anwesenheit von Vord hindeutet.«
»Gut«, sagte Gaius. Kurz darauf fügte er hinzu: »Hast du gewusst, dass die Vord, gleichgültig in welcher Gestalt, Tavi bei mindestens drei Gelegenheiten überhaupt nicht beachtet haben?«
Miles runzelte die Stirn. »Ich habe gesehen, wie er sich aus einer Gruppe von besessenen Canim befreite. Zu dem Zeitpunkt dachte ich, er sei einfach so schnell gewesen. Und kurz darauf haben sie ihn angegriffen.«
»Aber erst, nachdem er die Königin mit einem Speer getroffen hatte«, meinte Gaius.
»Willst du damit andeuten, der Junge habe sich mit ihnen verbündet?«, fragte Gaius.
Gaius zog eine Augenbraue hoch. »Natürlich nicht. Aber es ist ungewöhnlich, und ich verstehe es nicht. Vielleicht war es bloßer Zufall. Aber wenn nun nicht? Vielleicht könnten wir dadurch etwas Wichtiges über sie erfahren.«
»Glaubst du, sie sind noch hier?«
»Ich bin mir nicht sicher. Es ist eigenartig«, sagte Gaius nachdenklich. »Ich habe nach ihnen gesucht. Aber ich konnte sie nicht spüren.«
»Laut Graf Calderon ist es sehr schwierig, sie durch Elementarwirken zu entdecken, mein Fürst.«
Gaius nickte und machte eine wegwerfende Geste. »Nun, wir sind jedenfalls gewarnt. Und wir werden auf der Hut sein. Mehr können wir im
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