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Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Im Schatten des Klosters - Historischer Roman

Titel: Im Schatten des Klosters - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Altar, dass sie in mehrere Stücke zerbrach und das heiße Unschlitt über Remigius’ Finger spritzte. Das obere Stück der Kerze rollte über die Steinplatte, ohne dass die Flamme erloschen wäre. Remigius drosch sie mit geballter Faust aus.
    »Ite, missa est!«, rief er und schlug wild entschlossen das Kreuzzeichen.
    Die Brüder regten sich nicht.
    »Wo ist Sankt Albo?«, piepste eine Stimme aus ihrer Mitte.
    Remigius’ schmale Gestalt schien zu versteinern. Sein Gesicht lief dunkel an.
    »Diese Kleingläubigen«, presste Fredegar zwischen den Zähnen hervor und richtete seine hagere Gestalt auf, als wäre er noch der Krieger im Namen Gottes, der mit König Konrad dem Staufer ins Heilige Land gezogen und als einer von wenigen lebend zurückgekommen war. »Der Geist von Citeaux ist viel zu schwach hier!«
    »Pareo iam!«, donnerte Prior Remigius. Er fasste erregt ans Vorderteil seiner Kukulle und zerrte sie aus dem Strick um seine Hüften. »Ich verlange Demut und Gehorsam!«
    Die Brüder duckten sich – bis auf einen. Ulrich sah, wie Konrad sich langsam in Bewegung setzte. Das Gesicht des jungen Mannes war bleich und voller Angst. Als er voran schlurfte, kam auch in die anderen Mönche Bewegung. Alle Blicke hingen an dem leeren Schrein. Remigius blies die Backen auf und stopfte die Kukulle wieder zurück hinter den Leibstrick. Er schien unschlüssig, was ihn mehr erschütterte: das Verschwinden der Reliquie oder die Aufregung, die sich ob dieses Vorfalls in der Gemeinschaft ausgebreitet hatte.
    Ulrich sah wohl als Erster das Entsetzen, das Konrads Züge verzerrte, bevor dieser sich herumwarf und zum Altar stürmte, wobei er buchstäblich über die Brüder hinwegstampfte, die sein Ansturm zu Boden geworfen hatte. Schreckensschreie hallten zur Decke der Kirche empor. Konrad setzte über den Altartisch hinweg und prallte auf Remigius, brachte den schmächtigen Prior ins Wanken, ohne ihn jedoch zu Fall zu bringen. Remigius schlang die Arme um den Bruder und drängte ihn vom Schrein weg. Konrad kämpfte gegen die Umklammerung seines Ordensoberen, schlug um sich und stöhnte, sank plötzlich in sich zusammen, umfing Remigius’ Beine und brach in Schluchzer aus, die seinen Körper schüttelten. Die Brüder beobachteten die Szene mit schreckgeweiteten Augen und kalkweißen Gesichtern. Über Remigius’ Antlitz huschten Zorn, Mitleid und ein anderes Empfinden, in dem Ulrich blankes Entsetzen über die Panik unter den Brüdern zu erkennen glaubte; es war ein Ausdruck, den Ulrich am liebsten nicht gesehen hätte, denn er wirkte verheerender auf ihn als alles Gekreische der Novizen.
    Dann reckte der Prior sein Kinn nach vorn, und seine Augen wurden schmal, als er zu Ulrich und Fredegar herübersah. Ulrich stellte fest, dass er schon halb zum Altar gestürzt und dabei von Fredegar nicht einmal abgehängt worden war. Er verlangsamte seinen Schritt.
    »Was soll jetzt aus uns werden?«, stöhnte Konrad.
    Remigius bückte sich und machte Konrads Arme los. Dann half er ihm auf die Beine und zeichnete den Segen auf seine Stirn. »Geht in Frieden, Brüder«, sagte er leise zu der Gemeinschaft und strich Konrad über den Kopf. »Auch du, mein Sohn.« Konrad winselte. »Alles wird gut.«
    Es dauerte lange, bis die Brüder endlich draußen waren, und ihr Abgang verlief in einer Stille, die selbst Ulrich quälte, der das mönchische Schweigen von Kindheit an gewöhnt war. Verschlimmert wurde das Ganze vom Schluchzen, das der eine oder andere Bruder nicht unterdrücken konnte. Remigius stand am Altar, das Gesicht noch immer dunkel; seine Haltung war wie die einer Steinfigur. Schließlich räusperte er sich und suchte die Blicke seiner beamteten Brüder: Fredegar, Ulrich, Emmeran und Peter. Von draußen erklang das letzte Schlurfen der Sandalen und das letzte Schluchzen eines ängstlichen Novizen. Remigius brauchte nichts zu sagen; die vier Brüder setzten sich in Bewegung und stapften zum Altar hinüber. Ulrich machte den Abschluss. Er spürte, wie sein Herz mit Verspätung zu hämmern begann und seine Kehle verschloss.
    Fredegar, der als Bruder Torhüter über sämtliche Schlüssel verfügte, öffnete den Schrein, holte mit spitzen Fingern das silberne Netz heraus und reichte es an Prior Remigius weiter. Ulrich starrte in die gähnende Dunkelheit des Behälters und fand, dass er leer nicht weniger unheimlich aussah als sein auf so wundersame Weise verschollener Inhalt. So nahe an dem Behältnis hatte er nicht mehr gestanden, seit er

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